Schwarze Herzen
Kopf.
„Du willst mich … bestrafen? Für das, was ich getan habe?“
Wie bitte? Ihn bestrafen? Wo er ihr gerade das Leben gerettet hatte? Ja, ein Teil von ihr war wütend auf ihn, weil er sie nicht an seiner Seite hatte kämpfen lassen. Weil er ihr gedroht – geschworen – hatte, er würde gehen und ihre gemeinsame Mission abbrechen, wenn sie nicht tat, was er sagte. Schon wieder. Aber der andere Teil von ihr war erleichtert. Als der Lakai nach ihm geschlagen hatte, war in ihr eine verloren geglaubte Energie aufgewallt. Eine unbeschreiblich starke, schillernde Energie. Erst durch Zorn geweckt, das mochte sein, aber so oder so geweckt.
Ich bin kein Feigling. Nicht mehr. Nächstes Mal werde ich handeln. Egal, ob es ihm gefällt oder nicht. Oder mir. Er verdient es. Verdient es, jemanden zu haben, der auf ihn aufpasst .
„Kadence“, flüsterte Geryon, und sie bemerkte, dass sie ihn angestarrt hatte. Schweigend.
„Ich würde dich niemals dafür bestrafen, dass du mich beschützt hast. Was auch immer du zu diesem Zweck tust. Selbst wenn du sonst nichts über mich im Gedächtnis behältst, merk dir dieses eine.“
Erneut blinzelte er. „Aber … ich habe getötet. Einer anderen Kreatur Gewalt angetan.“
„Und du wurdest dabei verletzt. Komm, lass mich deine Wunden reinigen.“
Noch immer sträubte er sich. „Aber dazu musst du mich anfassen.“ Die Art, wie er das sagte, klang, als müsste dieser Umstand etwas überaus Heikles für sie sein. „Ja, ich weiß. Ist dir der Gedanke unangenehm? Ich meine, ich habe dich schon vorher berührt, und du hast nicht gewirkt, als … also, ich meine …“
„ Mir unangenehm?“ Ein zögerlicher Schritt vorwärts, ein zweiter. In diesem Schneckentempo würde er niemals bei ihr ankommen.
Seufzend ging sie ihm entgegen, nahm seine Hand, verschlang ihre Finger mit seinen – was ein elektrisches Kribbeln zur Folge hatte, das ihr den Atem verschlug – und führte ihn zu einem flachen Felsbrocken.
„Bitte, setz dich.“
Als er gehorchte, entzog er ihr seine Hand wieder und rieb abwesend die Stelle, wo eben noch ihre Hand gelegen hatte. War dasselbe Kribbeln auch über seine Haut gehuscht? Sie hoffte es. Denn falls nicht, hieße das, diese Anziehung, die sie verspürte, wäre einseitig. Ja, sie fühlte sich zu ihm hingezogen, wie ihr in diesem Moment bewusst wurde. Körperlich. Sinnlich. Die Sorte Anziehung, die eine Frau dazu trieb, ihre Hemmungen über Bord zu werfen und einen Mann in ihr Schlafzimmer zu locken.
Ob diese offene Einladung angenommen wurde oder nicht, war eine andere Sache.
So zurückhaltend, wie Geryon sich verhielt, war sie sich sicher, er würde sie zurückweisen. Wie er schon ihr Angebot mit dem Kuss ausgeschlagen hatte. Und vielleicht war es gut so, überlegte sie. Ihre Art zu lieben überforderte und verschreckte ihre Partner für gewöhnlich. Sobald nämlich die Leidenschaft von ihr Besitz ergriff, konnte sie ihr Wesen nicht mehr unter Kontrolle halten. Die Fesseln, die sie sich angelegt hatte, zerbarsten, und ihr Drang zu beherrschen, alles und jeden, brach mit überwältigender Gewalt aus ihr heraus.
Körperlich wurden ihre Liebhaber zu ihren Sklaven. Geistigverfluchten sie Kadence, die ihnen ihren freien Willen genommen hatte, wie unabsichtlich es auch geschehen sein mochte.
Mit keinem Mann war sie jemals ein zweites Mal zusammen gewesen, und nach insgesamt drei Versuchen mit desaströsem Ausgang hatte sie es endgültig aufgegeben. Ging es einmal schief, hatte sie sich gesagt, war es schlicht Pech. Zweimal – ein unglücklicher Zufall. Aber bei drei Malen hintereinander lag die Schuld unbestreitbar bei ihr.
Trotzdem fragte sie sich, wie Geryon auf sie reagieren würde. Sie hassen, so wie die anderen es getan hatten? Wahrscheinlich. Er wusste bereits zur Genüge, was es bedeutete, dem Willen eines anderen unterworfen zu sein. Es hätte sie nicht überrascht, wenn Freiheit für ihn das kostbarste Gut auf Erden darstellte.
Und so sollte es auch sein. Das war vollkommen natürlich. Normal. Zwei weitere Dinge, nach denen er sich vermutlich sehnte.
Sie würde ihm mehr Kummer bereiten, als sie wert war.
Mit einem Seufzen riss sie vom Saum ihrer Robe mehrere Streifen ab und kniete sich vor ihm hin, zwischen seine Beine. Sein Schaft war nur durch eine kurze, mit Metallplatten besetzte Schürze aus derbem Leder verdeckt. Der Lendenschurz eines Kriegers. Vielleicht war es ungehörig von ihr, aber sie wollte ihn dort sehen. Entgegen aller
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