Schwarze Herzen
Sorgen, oder hielt sie das Ganze für ein Spiel, wie Bianka sich anfangs ausgemalt hatte? Hatte Kaia ihre anderen Schwesternzusammengerufen; durchsuchten die Mädels jetzt jeden Winkel der Erde nach einer Spur von ihr, wie sie es getan hatten, als Gwennie verschwunden war? Vermutlich nicht, dachte sie und seufzte. Sie kannten sie, besonders ihre Kraft und Entschlossenheit. Wenn sie glaubten, sie sei entführt worden, würden sie darauf vertrauen, dass ihre Schwester in der Lage war, sich selbst zu befreien. Trotzdem.
Lysander war ein Blödmann.
Und höchstwahrscheinlich noch Jungfrau. Eifrig, voller Vorfreude, rieb sie sich die Hände. Die meisten Männer küssten die Frauen, mit denen sie ins Bett gingen. Und wenn das mit ihr sein erster Kuss gewesen war, tja, dann lag die Vermutung nahe, dass er noch nie mit jemandem im Bett gewesen war. Ein wenig ließ ihr Eifer nach. Das schrie doch nach der Frage, warum er nie mit jemandem geschlafen hatte.
War er, wenn auch unsterblich, noch sehr jung? Hatte er noch niemanden gefunden, den er begehrt hatte? Empfanden Engel nicht so oft sexuelle Begierde? Viel wusste Bianka nicht über sie. Okay, sie wusste gar nichts über sie. Hielten sie Sex für falsch? Vielleicht. Das würde zumindest erklären, warum er sie nicht auch hatte berühren wollen.
Also gut, es machte wesentlich mehr Sinn, dass er einfach noch nie Begierde empfunden hatte.
Aber während ihres Kusses hatte er sie definitiv verspürt. Jetzt begann sie wieder, sich die Hände zu reiben.
„Was hast du da an ? Beziehungsweise nicht an?“
Ihr Herz schlug schneller, sie wirbelte herum. Als hätte sie ihn mit ihren Gedanken herbeigerufen, stand Lysander in der Tür. Nebel waberte um ihn herum, und für einen Moment fürchtete sie, er wäre nur eine Ausgeburt ihrer Fantasie.
„Also?“, bohrte er nach.
In ihren Fantasien war er nicht wütend. Stattdessen war er von überwältigendem Verlangen getrieben. Also … war er tatsächlich hier, er war real. Und er starrte mit vor Erstaunen offenem Mund auf ihre Brüste.
Erstaunen war besser als Wut. Fast hätte sie gegrinst.
„Gefällt’s dir nicht?“, fragte sie und strich sich mit den Händen über die Hüften. Lasst die Spiele beginnen .
„Ich … Ich …“
Mag es , beendete sie seinen Satz innerlich. Bei dieser unwiderlegbaren Wahrheit, die bei jedem Wort in seiner Stimme lag, konnte er wahrscheinlich nicht einmal im Ansatz lügen.
„Deine Haut … ist anders. Ich meine, diesen perlenartigen Schimmer habe ich schon vorher gesehen, aber jetzt… ist es …“
„Der Wahnsinn.“ Sie drehte eine Pirouette, sodass das Nachthemd um ihre Knöchel tanzte. „Ich weiß.“
„Du weißt?“ Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. Jetzt kehrte offensichtlich sein Ärger, den sie anfangs vermutet hatte, mit voller Macht zurück. „Bedeck sie!“, blaffte er sie an.
Einen Augenblick später war sie von Kopf bis Fuß in ein weißes Gewand gehüllt.
Finster blickte sie ihn an. „Gib mir mein Hemdchen zurück.“ Das Gewand verschwand und sie stand wieder in weißer Spitze da. „Versuch das noch mal“, warnte sie ihn, „und ich laufe nur noch nackt rum. So wie auf den Bildern, schon gesehen?“
„Bilder?“ Stirnrunzelnd sah er sich in dem Zimmer um. Als er eines der Gemälde von ihr – abzüglich Klamotten, auf einem silbrigen Felsen ausgestreckt – entdeckte, sog er zischend die Luft ein.
Es war genau die Reaktion, die sie sich gewünscht hatte. „Ich hoffe, es macht dir nichts aus, aber ich hab diese nette kleine Wolke in ein Liebesnest verwandelt, damit ich mich mehr zu Hause fühle. Und auch da gilt: Wenn du irgendwas entfernst, wird der nächste Entwurf tausendmal schlimmer.“
„Was versuchst du mir anzutun?“, knurrte er und wandte sich ihr zu. Die Augen hatte er zusammengekniffen, die Lippen aufeinander gepresst, die Zähne gefletscht.
Sie flatterte nur mit den Wimpern, die Unschuld in Person. „Ich fürchte, ich weiß nicht, was du meinst.“
„Bianka.“
Das war eine Warnung, das wusste sie. Aber natürlich schenkte sie ihr keine Beachtung. „Ich finde, jetzt bin ich dran mit den Fragen. Also, wohin bist du gegangen, als du mich alleingelassen hast?“
„Das ist für dich nicht von Bedeutung.“
War er ein bisschen atemlos? „Lass uns mal sehen, ob wir das nicht ändern können, was meinst du?“ Hüftschwingend ging sie zum Bett und ließ sich auf die Kante sinken. Als unartiges, schamloses Mädchen, das sie war, spreizte
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