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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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das Gefühl, dass ich sie um eine Erklärung für die Sache mit dem Zwiebelmann bitten und bei der Gelegenheit auch gleich einen Termin ausmachen sollte, um die Tochter zu besuchen.
    Ana stand immer noch neben der Pyramide. Ein Typ in kotzgrünem Anzug ging auf sie zu und küsste sie. Ich stand im Weg und wurde von Unbekannten hin und her geschubst wie die Witzfigur in einer Komödie. Als ich mich schließlich wieder in den Lauf des menschlichen Flusses einreihte, schleppte ich eine Eifersucht mit mir herum, die mir nicht zustand.

 
     
     
     
     
     
    J udith ließ mich nicht in ihre Wohnung hinauf. Durch die Sprechanlage fragte sie, wer mir ihre Adresse gegeben hätte. Ich redete nicht um den heißen Brei herum und erklärte ihr, dass die Polizei sie aus naheliegenden Gründen überwachte. Dann fügte ich hinzu, dass ich noch mehr Informationen über Roberto brauchte.
    »Für mich ist sie Maika«, erinnerte sie mich. »Ich habe nichts mehr zu sagen. Sag deinem Freund, er soll mich in Ruhe lassen.«
    »Welchem Freund?«
    »Dem mit dem brutalen Gesicht. Er kam betrunken ins Fata Morgana zurück.«
    »Wann?«
    »In der Nacht, in der ich mit euch gesprochen habe.«
    »Was wollte er?«
    »Mich verprügeln. Zum Glück verlasse ich den Laden nie ohne die anderen Mädels. Wir sagten, dass wir ihm die Fresse polieren würden, wenn er mich nicht in Ruhe ließe, und da machte er sich aus dem Staub. Ein Feigling letzten Endes, wie alle Schwulenhasser.«
    Ich bat sie, von Angesicht zu Angesicht mit ihr reden zu dürfen. Da antwortete sie schon nicht mehr.
    Eine halbe Stunde später kehrte ich in meine Wohnung zurück und rief Wintilo an. Er sagte, er könne nicht zu mir kommen, weil eine Protestkundgebung von Chiapas-Bauern auf dem Zócalo angekündigt sei. Also stimmte ich zu, ihn in der neuen Cantina zu treffen, von der er mir erzählt hatte. Sie hieß Nuevo Encanto, lag im Stadtviertel Del Valle und war erreichbar, indem man sich über Schleichwege bis zur Avenida Municipio Libre durchschlängelte.
    Ich stellte ihm nur eine Bedingung: Wir würden rigoros bei zwei Drinks bleiben und dann weiter über den Fall reden. Ich hatte fest vor, ihn schnell zu lösen, weil ich vermutete, dass Aníbal Carcaño die Sache mit meinem Vater aufschieben würde, bis ich Roberto Oviedo gefunden hatte.
    Um zehn Uhr abends hatten wir drei Viertel einer Flasche Havanna Club geleert. Wintilo hatte mich angeschwindelt, um mich herzulocken: Die Kundgebung würde erst in der nächsten Woche stattfinden, die Chiapas-Bauern waren vermutlich noch nicht einmal in Tlaxcala angekommen.
    Zumindest in einer Sache hatte Wintilo nicht gelogen. Bevor wir den Rum tranken, kippten wir jeder drei Bier mit Tequila und bekamen das Essen umsonst. Das Menü war so gut, dass es mir in Erinnerung blieb: Pilzsuppe mit geräucherten Chilis, Flussbarsche an Knoblauchdressing, Mais-Empanadas mit Käse und als Nachtisch Anis-Flan mit Karamelltäfelchen, den wir beide stehen ließen, weil wir Angst hatten, das süße Zeug könnte unseren Rauschzustand erst richtig entfesseln.
    Der Nachteil war, dass die Mariachis nicht auf sich warten ließen und sich Wintilo wieder Cartas marcadas wünschte. Dieses Mal konnte ich mich nicht drücken. Nachdem ich sieben Mal das gleiche Lied gehört hatte, entließ ich die Mariachis wieder. Wintilo wollte sie zurückholen, überlegte es sich aber anders, als ich Anislikör zum Digestif bestellte.
    Er erzählte mir von seinem Gespräch mit Benjamín Sánchez, dem Hotelmanager.
    »Gegen sieben Uhr abends hörte er Schreie aus dem fünften Stock.«
    »Von wie vielen Stockwerken sprechen wir?«
    »Wen zur Hölle interessiert das?«
    »Das weiß ich auch noch nicht …«
    »Zehn oder fünfzehn.«
    »Ist er hochgegangen, um zu sehen, was los war?«
    »Er hatte Angst, aber er rief die Polizei. Als wir ankamen, fanden wir den Toten in Zimmer 309.«
    »Als wir ankamen?«
    »Das sagte ich doch gerade.«
    »Du auch?«
    »Sage ich ja, du Hornochse.«
    »Warum du?«
    »Was heißt, warum ich? Ich bin Polizist und kein Taxifahrer.«
    »Aber bis jetzt hast du mir nie gesagt, dass du beim Fund des Toten dabei warst.«
    »Ändert das was?«
    »Das ändert insofern was, als du den Schauplatz des Verbrechens gesehen hast.«
    »Schauplatz ist das richtige Wort, das Ganze ähnelte einer Theaterkulisse: Der Ermordete lag ausgestreckt da, Schnauze nach unten, Arsch nach oben. Zigaretten, Kondome, du hast es ja auf den Fotos gesehen. Die Fotos hat Madariaga

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