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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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Traum daran dachte, ihn für verrückt zu erklären. In jeder Stadt gibt es solche Menschen, auch wenn wir anderen peinlich berührt auf unsere Fußspitzen starren, wenn sie uns ansprechen. Ich hatte trotzdem keine Lust, ihm die Hände zu fesseln, schon gar nicht im Gefängnis. Also sagte ich, es tue mir leid, ich könne nicht.
    »Mach dir keine Sorgen, Gil. Du bist ein guter Mensch.«
    »Woher weißt du das?«
    »Weil hinter dir dein toter Vater steht und es mir sagt.«
    Ich wollte nichts mehr hören und gab vor, müde zu sein. Als ich ihn schnarchen hörte, band ich ihm die Hände mit dem Tuch aneinander, und sei es nur, um seine Eier zu retten. Und vielleicht auch die meinen.
    Am nächsten Tag war ich der Erste, der aufwachte. Ich band Arturito die Hände los und legte seine Brille vorsichtig auf den Bettrand am Kopfende, damit er nicht drauf trat.
    Dann bezahlte ich das Bußgeld und ging hinaus, um einen Schluck Sonne zu tanken.

 
     
     
     
     
     
    W ir einigten uns auf neutrales Terrain. Weder ihre Wohnung noch meine. Im Hundido-Park im Nápoles-Viertel, bei der großen Blumenuhr.
    Teresa trug ein hellgrünes Kleid und eine einfache Halskette aus weißen Glassteinen. Wir waren beide befangen, was uns – so seltsam es klingt – die Kommunikation erleichterte, weil keiner von uns wiederholen zu wollen schien, was in meiner Wohnung passiert war.
    »Wir haben ein Problem, Gil.«
    »Ich weiß.«
    »Wir können uns einfach nicht beherrschen.«
    »Das stimmt.«
    »Ich dachte, die Sache zwischen uns wäre tot.«
    »Das dachte ich auch.«
    »Aber du weißt schon, wo einmal Feuer war …«
    »… bleibt Glut.«
    »Glaubst du nicht, dass wir uns gegenseitig sehr verletzen, wenn wir so weitermachen, Gil?«
    Ich spürte, wie mir ihr Anblick genau das Gegenteil sagte: dass ich sie niemals verletzen könnte, nur leidenschaftlich lieben.
    »Du hast recht, wir beide können uns gegenseitig sehr wehtun«, stimmte ich zu.
    Ihr Blick verfinsterte sich.
    »Danke, dass du ehrlich bist.« Sie nahm meine Hand und ließ sie gleich wieder los, als hätte sie Angst, sich zu verbrennen.
    »Unsere letzte Trennung war sehr schmerzhaft für mich. Das will ich nicht noch einmal erleben.«
    »Ich auch nicht«, sagte ich. »Nachdem du weg warst, habe ich gewinselt wie ein Hund. Du auch?«
    »Nicht ganz so. Dank meiner Arbeit und der Therapie ist es mir gelungen, nach vorne sehen.«
    »Dann stell dir mich vor, ohne Arbeit und alles. Welche Therapie?«
    Sie erzählte mir, dass ihre traurige Kindheit, die Tatsache, dass ihre Mutter sie verlassen hatte, und schließlich die Trennung von mir sie auf die Couch eines Therapeuten getrieben hätten. Es war ihr wichtig, klarzustellen, dass der Typ nicht freudianisch, sondern transaktional arbeitete, auch wenn ich den Unterschied natürlich nicht begriff.
    »Ich wünsche dir, dass du glücklich bist, Gil.«
    »Ich dir auch. Ich wünsche dir Glück im Überfluss. Aber auch nicht zu viel …«
    »Warum das?«
    »Weil ich zugebe, dass es mir gefallen würde, wenn du bei der Erinnerung an mich ein bisschen traurig wärst …«
    »Wirst du mir eines Tages verzeihen können?«
    »Was verzeihen?«
    »Dass ich dir Saúl angeschleppt habe. Ich wollte dich damit nicht unter Druck setzen, aber in der Therapie …«
    »Welcher Therapie?«
    »Ich bin in Therapie, das sagte ich doch gerade …«
    »Was für eine Krankheit hast du denn?«
    »Es ist eine Psychotherapie.«
    »Ach so.«
    »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mich unbewusst an dir rächen wollte und dazu Saúl missbraucht habe. Mein Sohn ist eine Erweiterung meines inneren Kindes. Ich wollte, dass du mein inneres Kind würdigst, wie du mich nie gewürdigt hast. Aber ich bitte dich, dir vorzustellen, du hättest Saúl nie kennengelernt.«
    »Das dürfte schwierig werden.«
    »Glaub ja nicht, dass du sein Vater bist.« Sie bremste sich. »Ich fange schon wieder damit an. Vergiss es. Könntest du es versuchen, Gil? Könntest du das Baby aus deinem Gedächtnis löschen?«
    Ich nickte.
    »Freunde aus der Ferne?« Mit dieser belanglosen Phrase streckte sie mir ihre lange Hand entgegen.
    Ich fragte mich, was Ferne bedeutete, wo ich sie hier direkt vor der Nase hatte.
    »Freunde aus der Ferne?«, insistierte sie, als wollte sie sagen: Was für tolle Ausdrücke ich doch erfinden kann.
    Vielleicht war es ja ihr Therapeut gewesen, der diesen Ausdruck erfunden hatte, und er bedeutete etwas sehr Tiefgründiges. Er klang ein wenig poetisch, das gebe ich zu,

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