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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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Rand des Schreibtischs, wo das Blut nicht auf den Boden getropft war, sondern sich an der einige Zentimeter höheren Schreibtischkante gestaut hatte. Von dort war es beinahe um den ganzen Schreibtisch geflossen und bildete nun einen karmesinroten Rahmen.
    Augen und Mund des Mannes standen halb offen. Sein Gesichtsausdruck wirkte distanziert und schien einen geheimen Schmerz widerzuspiegeln.
    Hinter uns war die Sekretärin ins Zimmer getreten, sie stieß einen ungläubigen, entsetzten Klagelaut aus.
    In diesem Moment erklang vom Eingang der Kanzlei her eine zweite Stimme, die eine unfreiwillig absurde Frage stellte: »Sind Sie da, Señor Galindo? Wie geht es Ihnen heute?«
    Die Sekretärin konnte den Mund nicht öffnen, um uns zu sagen, um wen es sich handelte. Sie wollte schreien, aber sie war wie gelähmt.
    Ich bedeutete Wintilo, dass er sich um sie kümmern sollte, und ging in den Empfangsbereich hinaus, wo mir eine Dame in einem dieser Pelzmäntel entgegenlächelte, für die sie in Kanada Robben mit Knüppeln erschlagen.
    »Señor Galindo kann sich heute leider nicht um Sie kümmern«, sagte ich.
    »Ich habe aber einen Termin.«
    »Das mag sein, aber ihm ist etwas dazwischengekommen.«
    »Mit dieser Ausrede hat er mich schon das letzte Mal abgewimmelt.«
    »Diesmal ist es anders …«
    Die kleinen runden Augen der Frau blickten mich ungläubig an. »Wer sind Sie überhaupt, sein Sekretär? Wo ist Carito?«
    Carito trat totenblass aus dem Büro und sank in ihren Stuhl, wo sie endlich aus voller Lunge schreien und heulen konnte. Ich ließ sie mit der Robbentöterin allein und ging wieder ins Büro.
    Wintilo betrachtete das Gesäß des Toten aus der Nähe, und wenn ich mich nicht irre, lag dabei ein kaum merkliches, spöttisches Lächeln auf seinen Lippen. Draußen stimmte unterdessen die Robbentöterin in Caritos Geheul ein.
    »Hier hatte unsere Roberta die Hände im Spiel, das ist das Einzige, was klar ist«, sagte Wintilo laut.
    »Glaubst du wirklich?«
    »Ob ich das glaube? Der Typ ist ein verdammter Psychokiller! Er bringt alle um, die ihm je den Schwanz reingesteckt haben.«
    Ich sah mich im Büro um. An der Wand hingen einige Fotos, auf denen Galindo mit einem älteren Paar – vielleicht seinen Eltern – in verschiedenen Städten der Welt zu sehen war. Die Schuhe des Toten hatten nagelneue Ledersohlen. Solche Schuhe kosteten bestimmt so viel wie der Pelzmantel. Ich war versucht, sie ihm zu stehlen, aber ich besaß keinen guten Anzug, um sie richtig zur Geltung zu bringen. Außerdem schien der Tote größer gewesen zu sein als ich.

 
     
     
     
     
     
    Z ehn Minuten später saßen wir in einem McDonalds, wo drei kleine Jungs das Happy-Meal-Spielzeug in Stücke hauten und sich anschließend ohne Schuhe auf die Plastikspielgeräte stürzten. Uns gegenüber saß ein entspannter Aníbal Carcaño, dessen steile Falte zwischen den Augenbrauen vielleicht das Einzige war, was er von seiner Strenge übrig behalten hatte. Er rechtfertigte sich mit keiner Silbe für den Ort, zu dem er uns zitiert hatte, um über Roberto und seine Toten zu sprechen.
    »Jeden Tag berichtet mir Wintilo etwas Gutes über dich, Gil Baleares.« Er biss in seinen Hamburger, aus dem eine weiche Masse aus Ketchup und Senf tropfte. Er kaute, schlang den Bissen hinunter und leckte sich den kleinen Finger ab. »Du bist schlau, ziehst die richtigen Schlüsse, verlierst nicht die Kontrolle. Du bist genau die Sorte Mensch, die ich um mich haben möchte …«
    »Gil und ich glauben, dass Roberto ein Serienmörder ist«, sagte Wintilo.
    Aber Carcaño beachtete ihn gar nicht und hielt den Blick weiter auf mich gerichtet.
    »Du hast einen guten Riecher und du bist auf dem richtigen Weg, daran besteht kein Zweifel.«
    »Der Hotelmanager hat uns jetzt schon den zweiten Toten beschert«, merkte ich an. »Ich glaube, es wäre gut, wenn wir erneut mit ihm sprechen würden.«
    »Ist er noch im Krankenhaus?«, wollte Carcaño von Wintilo wissen.
    »Nein, Teniente. Nachdem er entlassen wurde, haben wir ihn gleich zur Befragung abgeholt. Wir haben ihn auf dem Revier. Aber wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf: Ich bin in diesem Punkt anderer Meinung als mein Partner. Ich glaube, dass Benjamín Sánchez bereits alles gesagt hat, was er weiß. Wir brauchen ihn wirklich nicht schon wieder zu befragen.«
    »Dylan! Komm sofort da runter!«, rief Carcaño einem der Jungen zu, der auf einen Plastiktunnel geklettert war. Der kleine Teufel warf seinem Vater einen

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