Schwarze Küsse
Wohnkästen in einem Gebäude ist, von dem außen schon der Putz bröckelt wie das Make-up von einer alten Hure …
»Ja, Garten«, sagte ich mechanisch. »Garten und Hund.«
Teresa rutschte auf Knien übers Bett, strich mir mit der Hand über die Brust und sah mich mit erweiterten Pupillen an. Wir schliefen so stürmisch miteinander wie immer. Und wie immer zog sie sich an und ging.
D ie Typen vom Empfang diskutierten mit Wintilo am Telefon und bestanden darauf, dass sie mich ohne ›Senf‹ nicht hineinlassen konnten. Dann schienen sie nachzugeben. Ein Typ im dunklen Anzug mit blauer Krawatte brachte mich in ein Zimmer, wo er mir befahl, mich auszuziehen.
»Spreizen Sie die Beine, Señor.«
»Señorito. Und das will ich auch bleiben.«
Der Kerl fuhr mit einem magnetischen Gerät zwischen meinen Beinen entlang und befahl mir dann, mich hinter einen Wandschirm zu stellen. Er blickte auf einen Monitor, vermutlich wurde ich gerade durchleuchtet. Das Einzige, was er finden würde, war ein Patronensplitter Kaliber 22, den die Ärzte der Sozialversicherung seinerzeit nicht hatten entfernen können. Ihrer Aussage nach, weil er sich in gefährlicher Nähe zur Oberschenkelarterie befand, meiner Meinung nach, weil sie sich lieber dreckige Witze erzählten, als sich aufs Operieren zu konzentrieren.
»Sie können sich wieder anziehen, Señor.«
Der Typ eskortierte mich bis zur Lauschhöhle, wo mich die Stimme eines Popsängers empfing. Ein junger Mann, dem der Pony ins Gesicht hing, hörte Musik und trällerte den Refrain mit.
»Ein bisschen Sting am Morgen …«, entschuldigte er sich und drehte die Musik leiser. »Gestern Abend wurde ich von den Chefs aufgehalten, und als ich hier ankam, waren Sie schon weg.« Er streckte mir die Hand entgegen. »Ich bin Charlie, der Schwager von Wintilo.«
Ich blickte auf seine in der Luft hängende Hand hinunter, die er schnell unter seinem Sitz versteckte. Sein Gesicht glühte rot wie die Hölle.
Wintilo hatte recht, dieser Charlie würde nicht lange für die Kriminalpolizei arbeiten. Darauf kam ich nicht etwa wegen Wintilos Geschwafel über diesen Kraken, sondern weil Charlie ein Mensch mit Gefühlen zu sein schien.
»Wie alt bist du, Freundchen?«
»Neunzehn.«
»Hast du Elektrotechnik studiert?«
»Informatik.«
»Die Elektrotechnik ist die Basis«, erklärte ich peinlich berührt. »Von ihr geht alles aus, einschließlich die Robotertechnik und die Quantentheorie.«
Charlie zog misstrauisch die schmalen Augenbrauen hoch.
»Weißt du, was ›Senf‹ ist?«
Er zeigte mir die Akkreditierung der Abteilung Spezialaufgaben, die um seinen Hals baumelte.
Ich stellte keine weiteren Fragen, sondern forderte ihn auf, mit mir in Judiths Welt einzutauchen. Nachdem er verschiedene Knöpfe gedrückt hatte, erklang für einen flüchtigen Moment die Stimme eines Gouverneurs, der über Drogen dozierte. Charlie entschuldigte sich nervös und korrigierte seinen Fehler sofort. Zuerst waren nur Schritte zu hören. Dann wählte Judith eine Nummer und plauderte wieder einmal mit jemandem über ihre Unterwäsche.
Charlie betätigte einige weitere Knöpfe. Als ich fragte, was er da machte, erklärte er, dass er die Person lokalisierte, mit der Judith sprach. Auf dem Bildschirm erschien eine Telefonnummer, und daneben der Name, auf den der Anschluss zugelassen war, samt Adresse. Charlie klickte auf den Namen, und eine Polizeiakte mit Fotos und allen erdenklichen Informationen öffnete sich. Die Gesprächspartnerin hieß Jazmín Vázquez, verdiente ihr Geld als Straßenprostituierte und war einige Male wegen kleinerer Diebstähle verhaftet worden.
Wenn Charlie arbeitete, verwandelte sich sein Kindergesicht in das eines Profis. Ich begann ihn zu respektieren. Aber nur ein bisschen. Jemand, der an einem Ort arbeitet, der nach Klo stinkt, hat nicht allzu viel Respekt verdient.
Wir lauschten weiter und kamen, was den Spannungsgehalt des Gehörten anging, vom Regen in die Traufe. Charlie schlug vor, eine Liste mit Wörtern anzulegen, die sich wiederholten, weil sie Teil einer verschlüsselten Sprache sein könnten. Es sah aus, als käme er wunderbar ohne mich zurecht, also sagte ich, er solle allein weitermachen, und verdrückte mich.
Wieder wurde ich am Empfang von oben bis unten durchsucht. Mich beschlich das dumpfe Gefühl, dass auch ich nicht lange in diesem Job überleben würde. Aber dann fiel mir die Angst ein, die ich nach der Entführung meines Vaters im vorigen
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