Schwarze Küsse
gefallen? Willst du, dass ich sie dir klarmache? … Jetzt sag schon, du alter Schweinehund! Willst du sie? Du brauchst es nur zu sagen, dann trete ich sie dir ab.« Er packte mich am Genick. »Du bist mein verdammter Bruder, und für meinen Bruder gebe ich alles! Wenn du Susana haben willst, gehört sie dir. Du brauchst mich nur darum zu bitten. Glaubst du mir etwa nicht?« Mein Schweigen brachte ihn noch mehr in Rage. »Ich beweise dir, dass ich es ernst meine …« Er bremste scharf. Zum Glück war die Ampel ohnehin rot. Er zog ein Federmesser aus der Tasche und setzte es an seiner Handfläche an. Ich hatte die Frage »Was zur Hölle machst du da?« nicht mal zu Ende formuliert, als Wintilo sich schon mit dem Messer in die Hand gestochen hatte, bis ein Blutstropfen hervorquoll. »Hier ist es, du Arschloch! Mein Blut! Trink es, Brüderchen!« Er presste mir die Hand ans Gesicht, bis ich spuckte. »Leck sie ab, du Idiot! Wir sind zwei verfluchte Vampire! Spuck es nicht aus! Du hast es schon in dir, du bist schon verseucht mit Wintilo Izquierdo! Jetzt sind wir beide gleich verdorben! Zwei elende Höllenhunde!« Er drehte das Radio auf volle Lautstärke und gab wildes Geheul von sich.
Ich schaltete das Radio wieder ab. Wintilo ließ noch ein halbes Heulen hören und verstummte dann. Er sah mich an, und in seinem Blick lag plötzlich unerträgliches Elend. Ich glaubte schon, er werde anfangen zu weinen, seine Augen waren kurz davor, sein Mund zitterte. Er wollte etwas sagen, etwas, das er nicht ertrug, aber er konnte nicht. Und ich wusste es. Ich wusste, dass dieser Schmerz zu sehr blockiert war, dass er ihn in hundert Jahren nicht herauslassen würde.
Nach und nach kehrte sein Grinsen zurück, und er war wieder der alte Wintilo.
»Ruf mich nie wieder von deinem Handy aus an«, warnte er. »Deshalb haben sie Salmerón gekillt, weil du mir seine Adresse gegeben hattest. Als ich in die Avenida Izazaga bog, waren die vom Leichenschauhaus schon dort. Jemand hat ihn umgebracht, bevor ich ihn befragen konnte …«
Wir verabredeten uns für neun Uhr an diesem Abend im Sanborns, um Pablo Javier, den Sänger, zu befragen.
Ich nahm ein Taxi zurück zu meinem Auto und fuhr nach Hause. Als ich die Tür öffnete, miaute mir Rhett Butler schon entgegen. Ich stellte ihm einen Teller Milch hin und goss Rum hinein – wenn er bei mir bleiben wollte, musste er zuerst ein Säufer werden. Er schleckte die Milch auf, dass es eine Freude war.
Das Telefon klingelte. Es war die Katzenmama, die sich dafür entschuldigte, dass sie mich Monster genannt hatte. Zu spät, das Monster hatte auf seinem Weg zur Hölle bereits einen Priester um die Ecke gebracht.
Sie erzählte mir eine Geschichte. Ein Mann namens Saúl – wie Saúl, die Rotznase – und seine Frau Leandra haben Angst, dass sie ihre Söhne an die kolumbianische Guerilla verlieren. Eine Nachbarin verrät ihnen, dass es eine Möglichkeit gibt, das zu verhindern, und arrangiert ein Gespräch mit gewissen Freunden. Diese bieten der Familie Schutz an, wenn sie im Gegenzug ihr Haus als Drogenapotheke für die Süchtigen aus dem Viertel zur Verfügung stellt. Saúl und Leandra willigen ein. Am Anfang scheint die Sache gar nicht so schlecht zu sein. Schau mal, Leandra, wir bekommen sogar eine Umsatzbeteiligung, und sie sagen, dass die Polizei keine Schwierigkeiten machen wird. Es stimmt: Ein an der Ecke postierter Streifenwagen sorgt dafür, dass der Drogenhandel geordnet vonstattengeht. Aber eines Tages kommen andere Polizisten und nehmen Saúl und Leandra mit. Sie befragen sie, schüchtern sie ein. Die beiden bleiben standhaft, und nach einigen Stunden sind sie wieder frei. Wie kommt das, fragt Doña Leandra. Warum haben sie uns so einfach wieder laufen lassen? Sie kommen zu ihrem Haus. Die Drogendealer fragen sie, was sie der Polizei gesagt haben. Nichts, schwören Don Saúl und seine Frau. Na so ein zuverlässiges Pärchen, sagen die Dealer und gehen wieder, ohne ihnen etwas anzutun.
Eines Nachts dringt eine Gruppe Unbekannter in das Haus ein und nimmt die Söhne von Saúl und Leandra mit, nur die Tochter verschonen sie. Dem Paar zerreißt es die Seele, nicht die Kleider, denn die sind schon in Fetzen. Tage später hören sie eine Stimme, die ruft: Kokosnüsse, frische Kokosnüsse! Kokoswasser, sagt Don Saúl, das hilft gegen den Schmerz … Sie gehen zur Tür. Davor steht ein Sack. Sie machen ihn auf. Es sind keine frischen Kokosnüsse. Es sind die Köpfe ihrer entführten Söhne.
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