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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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näherten, als auch die, die zur Tür hereinkamen, im Blick hatten.
    »Mama Bayou!«, kündigte der Typ am Klavier an.
    Eine Frau betrat die Bühne, schwarz wie eine Südstaatennacht und mit Armen, die jeden Gewichtheber vor Neid hätten erblassen lassen. Sie ergriff Besitz vom Mikrofon und sagte ein Paar Sätze auf Englisch. Es gelang mir, zu entschlüsseln, dass sie darüber redete, wie traurig es ist, wenn man die Fähigkeit zu lieben verliert. Aber aus ihrer Stimme sprach keine Trauer, sondern pures Verlangen, das gleiche Verlangen, das ich nach Teresa Sábato verspürte. Beklemmend und unermesslich und unstillbar.
    Wintilo stieß mich mit dem Ellbogen an, der Kellner wartete auf unsere Bestellung. Ich orderte Gin, Wintilo seinen unverdächtigen weißen Tequila.
    »Spuck’s schon aus, Gil, du schleppst doch irgendwas mit dir herum …«
    »Ich?«
    »Ja du.«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Ich habe dir auch von meinem Problem mit Susana erzählt, jetzt verrate mir wenigstens eines deiner Probleme …«
    Ich sah keinen Grund mehr, den Mund zu halten, und berichtete ihm von den Anrufen der Entführer und davon, dass sie nicht wollten, dass Spezialaufgaben weiter nach meinem Vater suchte.
    »Hast du es Carcaño schon erzählt?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dann sag kein Wort davon. Weißt du, was das bedeutet?«
    »Nein.«
    »Die haben uns infiltriert, die wissen alles … Folge den Anweisungen, die dir diese Dreckskerle geben, ich werde inzwischen tun, was ich kann, damit die von Spezialaufgaben aufhören, in der Sache mit deinem Vater herumzuwühlen. Zumindest bis wir wissen, wer die Ratte auf unserem Schiff ist. Aber bevor du das Geld übergibst, sagst du mir Bescheid. Ich will mitgehen und diese Hurensöhne in die Luft jagen, Bruder!«
    Mama Bayou sang laut und kräftig. Ihr schwarzer Mund liebkoste den rechteckigen Kopf des Mikrofons, und ihre Hände flatterten, als versuchte sie vom Boden abzuheben, was bestimmt kein leichtes Unterfangen war, denn ihr Körper war ein Fass. Aber eins, das sicher scharfe Brüste und einen knackigen Hintern hatte und sich trotz aller Korpulenz weigerte, aus der Form zu gehen.
    Während ich mit einem Eiswürfel zwischen den Zähnen spielte, trank ich langsam meinen Gin. Ich hätte wegen so vieler Dinge heulen mögen, aber das tat nun Mama Bayou für mich. Ihr verfluchter Song begann mir zu gefallen, was bedeutete, dass die Drinks schlecht waren und ich allmählich aufhörte, Gil Baleares zu sein.
    Ich roch an meinem Glas, aber der Drink schien sauber zu sein.
    Plötzlich brandete Applaus auf. Mama Bayou bedankte sich und erklärte in ihrem schlechten Spanisch, dass sie bald nach New Orleans zurückkehren würde. Eine Frau stieg auf die Bühne und überreichte ihr einen weißen Blumenstrauß, der einen schönen Kontrast zu ihren großen schwarzen Händen bildete.
    Die Leute johlten. Ich johlte auch und rief: » Fuck your music, Mama Bayoul«
    Meine Stimme verlor sich im Lärm und war wohl nicht zu hören, denn Mama Bayou warf mir eine so heftige Kusshand zu, dass das Fleisch an ihrem Arm zitterte. Ich dankte den Engeln für das leichte Brennen des Getränks in meiner Kehle.
    Mama Bayou und ihr Pianist legten eine Pause ein und verkrümelten sich.
    Wintilo war ebenfalls verschwunden, ich sah gerade noch, wie er zur Tür hinausging.
    Ich dachte darüber nach, wie fatal es war, dass sich die Abteilung Spezialaufgaben von innen her zersetzte wie die Wurzeln eines Baums, der von Asphalt umschlossen ist und nie wieder grün wird. Es gab keine Rettung. Ich war kein Held, kein Rächer der Stadt, nur ein Typ, der so ausgetreten und abgenutzt war wie zerknülltes Papier, wie Hundescheiße, die von einem Schuh zum anderen wandert, von Wintilos Schuh zu dem von Carcaño, von den unergründlichen Gefühlen Teresa Sábatos zu meinen, von diesem Fall zum nächsten. Und jeder Fall glich einem dieser Witze, die nur von Schnelldenkern verstanden werden. Man lächelt, aber innerlich erleidet man Schiffbruch.
    Der bedrohliche Rhythmus eines neuen Songs begann sich im Raum auszubreiten. Ein Mann entlockte einem Ding, das aussah wie ein Bass, elektrische Klänge.
    »Polk Salad Annie!«, jaulte der Bassist.
    Mama Bayou und der Pianist kehrten unter Applaus auf die Bühne zurück. Statt zu singen, begann Mama Bayou zu erzählen, von einem Mädchen, das in einem Sumpf in Louisiana lebte und so ein Teufelsweib war, dass sogar die Krokodile Respekt vor ihr hatten. Erst erzählte sie das Lied, dann

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