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Schwarze Küsse

Schwarze Küsse

Titel: Schwarze Küsse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquín Guerrero-Casasola
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Rauch aus. »Läuft wohl auf dasselbe hinaus. Ich glaube nicht, dass sich das Ergebnis nach der Autopsie großartig ändert. Fassen Sie ihn an, die Leichenstarre hat noch nicht eingesetzt. Der Todeszeitpunkt ist demnach nicht lange her. Ursache …« – der Arzt drehte die Leiche um. Am Rücken waren mehrere Schnitte zu sehen – »… Stichwunden. Und diese Küsse scheinen mit Lippenstift gemalt worden zu sein.«
    Mit einem furchtbaren Quietschen wurde die Tür aufgestoßen. Die beiden Typen von vorher brachten eine weitere Leiche auf einer fahrbaren Krankenbahre. Der Tote war bekleidet, nur seine Füße waren nackt. Auf den ersten Blick sah er aus wie ein Landarbeiter.
    »Noch einer?«, protestierte der Arzt.
    Die Männer warfen sich sarkastische Blicke zu, machten kehrt und verließen den Raum.
    »Und was ist mit Magaña? Bringt ihn doch zu Magaña! Der stellt sich absichtlich an wie der letzte Schwachkopf! Verdammtes Weichei von Assistenzarzt!«
    Die Typen antworteten nicht.
    »Sehen Sie, was ich meine?«, klagte uns Palanca sein Leid. »Zu jeder Tages- und Nachtzeit kommen die Leichen an! Sie beide arbeiten dort draußen, sagen Sie mir die Wahrheit: Durchlöchern die sich jetzt alle gegenseitig, oder was? Elende Scheißstadt!« Er pflanzte sich vor der neuen Leiche auf. »Na komm, lass dich mal ansehen.« Er schob ihn in eine Ecke. »Ich bin gleich bei dir. Du hast ja sicher keine Eile, oder?«
    »Noch irgendetwas über unseren Salmerón, Doc?«, fragte Wintilo.
    »Ach, schnell gehen soll es jetzt auch … Ja, da ist noch was. Der After.«
    »Der was?«
    Der Arzt krümmte den Zeigefinger zu einem Ring: »Der After, das Loch, der verdammte Runzelring«, sagte er brutal. »Er ist rot und geschwollen, das heißt, sie haben den vierten Gang eingelegt und ihn gezwungen, rückwärts zu fahren.«
    »Penetration?«, fragte ich.
    »Nein, Sie Vollidiot, Einblasung! Was habe ich denn gerade gesagt? Und wie sie ihn penetriert haben!«
    »Sie?«
    »Haben ihn penetriert!«
    »Was ich wissen will, ist, ob es viele waren, wenn Sie schon den Plural benutzen.«
    »Ich würde sagen ja. Wenn man so viel sieht wie ich, lernt man zu unterscheiden. Noch einen Wunsch, die Herren? Die Toten rufen mich, und das ist keine Metapher.«
    Wir verließen den Raum ohne weiteren Kommentar. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen.
    »Wintilo!«, hallte eine glockenhelle Stimme durch den schrecklichen Flur.
    Eine junge Frau mit schwarzer Mähne und Engelsblick lief auf Wintilo zu und gab ihm einen Kuss auf den Mund. Auch sie trug einen Arztkittel, aber ihrer war reiner als die Aura Christi.
    Wintilo musterte sie von oben bis unten und schnauzte: »Was zur Hölle willst du, Susana?«
    Das Gesicht des Mädchens zitterte wie Espenlaub bei Sturm. Auch mich verblüffte Wintilos Reaktion. Welcher Idiot behandelt so seinen Schutzengel? Korrektur: Welches Tier wie Wintilo Izquierdo hat überhaupt einen Schutzengel?
    »Na los, scher dich zur Hölle! Wird’s bald, du elendes Drecksweib?«
    Sie schien unfähig, sich zu bewegen.
    »Lass uns gehen.« Ich zog an seinem Arm. Er schüttelte mich ab und fixierte die junge Frau mit seinen brutalen Augen. Dann schrie er so laut, dass ich dachte, die lebenden Toten kämen, um ihn zu holen: »Zum Teufel, Susana! Scher dich verdammt noch mal zum Teufel! Na los!«
    Ich zerrte ihn mit mir, aber er hörte nicht auf, sich nach dem Mädchen umzudrehen, das noch immer an derselben Stelle stand, ohnmächtig und verstoßen.
    Zehn Minuten später jagte Wintilo, in unerklärliche Wut versunken, mit achtzig Sachen durch enge Straßen. Er wollte sich umbringen. Oder uns beide. Er ließ das Lenkrad los, um das Handschuhfach zu öffnen, steckte die Hand hinein und zog sie mit einem Berg Koks wieder heraus. Nachdem er es mit einem langen Atemzug gesnifft hatte, seufzte er erschöpft.
    Er ergriff wieder das Steuer und riss die Augen weit auf, weil wir kurz davor waren, uns in der Tür eines Wohnhauses zu verkeilen. Im letzten Moment riss er das Steuer herum. Ich grub die Finger in den Sitz.
    »Lass dich bloß nie mit kleinen Mädchen ein, das kann ich dir nicht empfehlen …«
    »Ist sie die Schwester von Charlie?«
    »Ist hübsch die Nutte, nicht wahr?«, sagte er und grinste mechanisch.
    Ich schüttelte missbilligend den Kopf.
    »Was hat denn die Grimasse zu bedeuten? Bist du vielleicht der vollendete Gentleman, oder was?«
    »Du Arschloch hast sie nicht verdient.«
    »Hat dir die Kleine

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