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Schwarze Pest aus Indien

Schwarze Pest aus Indien

Titel: Schwarze Pest aus Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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bitten, ihm mit Zehn-Pfennig-Stücken auszuhelfen.
    Tim schlüpfte in die Telefonzelle
,Besenkammer’. Durch den Glaseinsatz der Tür sah er Keismar.
    Mit giftgeblähtem Hals stand er draußen
und schien zu überlegen, wie er seine Niederlage wettmachen konnte.
    Tim rief Kommissar Glockner an — zu
Hause — und hoffte, daß er noch nicht schlief.
    Fast augenblicklich wurde abgenommen,
und Gabys Vater meldete sich.
    „Ich bin’s, Herr Glockner“, sagte Tim.
„Claudia Tümmel hat sich eben weggeschlichen. Vor einigen Minuten. Ich bin
überzeugt, daß sie vorhin gelogen hat und sich jetzt mit Knobel trifft. Ich
wollte hinterher, aber Assessor Keismar“, er senkte die Stimme, „Sie wissen
schon, hat mich erwischt. Er ist keinem Argument zugänglich und will dafür
sorgen, daß ich wegen Heimlicher Entfernung aus der Lehranstalt Ärger kriege.
Könnten Sie ein gutes Wort für mich einlegen? Der Mensch steht vor der Tür.“
    „Mache ich, Tim. Hat die Tümmel ein
Auto?“
    „Nein. Nur Stahlroß.“
    „Dann braucht sie etwa 20 Minuten für
die Zubringerstraße. Ich rufe gleich im Präsidium an und sorge dafür, daß
jemand dem Mädchen auf den Fersen bleibt. Gib mir mal Herrn Keismar.“
    „Danke, Herr Glockner. Gute Nacht.“
    Tim öffnete die Tür.
    Moderlieschen biß so fest auf seine
Unterlippe, als wollte er sie abtrennen.
    „Kommissar Glockner möchte Sie
sprechen.“
    Tim übergab den Hörer, sockte zur
Treppe und setzte sich auf die unterste Stufe.
    Keismar hatte die Tür der Telefonzelle
hinter sich geschlossen.
    Seine Stimme war zu hören, aber nur in
kurzen oder halben Sätzen.
    Den Text verstand man wegen der
Schalldämpfung ohnehin nicht.
    Das Gespräch dauerte nicht lange,
begreiflicherweise, denn der Kommissar mußte seine Kollegen alarmieren.
    Als Keismar aus der Telefonzelle trat,
hatte er seine Unterlippe fast abgebissen.
    „Nun?“ fragte Tim. „Hat Herr Glockner Ihnen
gesagt, wie wichtig es gewesen wäre, mich rauszulassen?“
    „Ihm glaube ich das“, stieß der
Assessor durch die sperrigen Zähne, „dir nicht.“
    Tim blieb die Spucke weg. „Wenn Sie
meinen. Offenbar haben Sie Ihre ganz persönliche Art, mit Tatsachen umzugehen.
Jedenfalls steht nun wohl fest, daß ich nicht aus Lust am Ungehorsam oder aus
Abenteuerdrang rauswollte. Ich wäre unterwegs gewesen in höherer Mission (Auftrag). Dafür verdiene ich einen Orden und keinen Anpfiff. Wünsche wohl zu ruhen, Herr
Assessor.“
    Tim jagte die Treppe hinauf und ins
ADLERNEST, wo Klößchen längst wieder eingeschlafen war.
    Er schnarchte mit einer Lautstärke, die
er sich sonst für die Zeit zwischen vier und fünf Uhr morgens vorbehielt.

17. Ohne Strümpfe an der Mauer
     
    Auch Claudia trug keine Strümpfe.
    Sie war in den alten Jogginganzug
geschlüpft, der eigentlich ihrem Bruder gehörte, aber — einst ausgeliehen und
nicht zurückgegeben — ihr als Freizeitkleidung diente.
    Wenn sie keine Lust hatte, auszugehen,
sondern sich nur in ihrem Zimmer herumdrückte, war er gut genug.
    Meistens lag die Küchenhelferin dann
auf dem Bett, hatte den Walkman-Kopfhörer auf die rote Kurzhaarfrisur gedrückt,
und das Abspielgerät lag neben ihr oder steckte im Hosenbund.
    Claudia zog sich dann die totale
Volldröhnung rein, bis die Trommelfelle wackelten.
    Sie liebte Disko-Sound. Besonders den
der Gruppe Kiki and the roaring Fat-Bellys (Kiki und die brüllenden
Fettbäuche ), weil die wirklich einen irren Donner-Sound draufhatten.
    Seit die neue Kassette der „Fetten
Bäuche“ rausgekommen war, lauschte Claudia dem Getöse Abend für Abend
mindestens eine Stunde lang — immer vor dem Einschlafen. Manchmal sackte sie
während dieses Kunstgenusses ab in den Schlaf, wurde von Alpträumen gemartert
und schreckte — meistens gegen zwei Uhr morgens — hoch wie im Fieberwahn, aber
taub wie ein Tiefseekrake.
    So ähnlich war es ihr auch heute
ergangen — nur früher.
    Während sie sich von den Kopfhörern
befreite, fiel ihr siedend heiß ein, daß Detlef bestimmt schon dagewesen war.
    Für einen Moment trat ihr vom
Synthesizer (Elektronikklang) durchgerütteltes Gehirn auf der Stelle.
    Dann wußte die 18jährige wieder, worum
es ging.
    ... das Loch in der Mauer hinter dem
Hollerbusch...
    Claudia schwang sich vom Bett,
schlüpfte barfuß in die Ballerinaschuhe, von denen der linke ganz
schiefgelatscht war, verzichtete auf weitere Garderobe, stahl sich aus dem
Zimmer und dann aus dem Angestelltenhaus, wobei sie es tunlichst vermied,

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