Schwarze Pest aus Indien
sicherlich was sagen. Die Stellvertreter vom
Kommissar kennen mich ja alle.
Leise stand er auf.
In diesem Moment beendete Klößchen
einen bösen Traum und erwachte.
„He, wo ist dieses Mistvieh?“ fragte er
schlaftrunken.
„Wen meinst du?“
„Die Tümmel, natürlich. Schon
verhaftet?“
„Keine Ahnung. Ich will noch mal runter
und anrufen.“
„Bei Glockners?“
„Im Präsidium. Der Kommissar könnte
schon schlafen. Stören will ich ihn nicht.“
„Laß dich nicht vom Moderlieschen
erwischen. Nach dem Anpfiff durch Herrn Glockner haßt dich Keismar jetzt wie
die Pest. Wie die Schwarze Pest, hahaha.“
Tim zog seinen Bademantel über.
Es war so gut wie unwahrscheinlich, daß
dem TKKG-Häuptling irgendwer begegnete. Aber korrekte Kleidung ist im Internat
Vorschrift — auch in der ersten Morgenstunde.
Mit seinem Anruf hatte er Glück.
Er drang durch zu Christopher
Beherztsein, Glockners Assistent. Der junge Kriminaler hatte Nachtdienst und
gähnte erst mal in den Hörer.
„Bist du sicher, Tim, daß du dich nicht
verguckt hast?“
„Was meinen Sie?“
„Ich habe nach Kommissar Glockners Anruf
sofort zwei Kollegen im Wagen zum Ende der Zubringerallee geschickt. Seitdem
warten sie dort. Wir stehen in Sprechfunkkontakt. Bis jetzt — und das dauert
nun schon eine Stunde — ist niemand vorbeigekommen. Schon gar keine dralle
Jungmaus auf dem Fahrrad. Wie die Tümmel aussieht, wissen wir.“
„Das verstehe ich nicht“, meinte Tim
enttäuscht. „Entweder sie ist euch durchgewischt. Oder sie ist nicht zur Stadt
gefahren, sondern querfeldein. Aber wohin da? Daß Knobel sich in einem der
Dörfer versteckt, daran glaube ich nicht.“
„Jetzt kommt die Tümmel bestimmt nicht
mehr. Ich pfeife die Kollegen zurück.“
„Pfeifen Sie“, murmelte Tim. „Es ist
wirklich der Wurm drin. Ich könnte Moderlieschen erwürgen.“
„Wen?“
„Den Pauker, der mich zurückgehalten hat,
als ich Claudia Tümmel verfolgen wollte.“
„Bitte, keine Tötungsdelikte!“ warnte
Beherztsein und gähnte. „Erwürgen ist strafbar.“
Als Tim zum ADLERNEST zurückging, blieb
er an einem Fenster des Treppenhauses stehen und sah hinüber zum
Angestelltenhaus.
Dort schliefen alle. Kein Licht.
In diesem Moment faßte Tim den
Entschluß.
„He, hier geht’s ja heute zu wie in
einer Künstlergarderobe“, meinte Willi, als Tim im ADLERNEST seinen Schrank
öffnete und — wie vorhin — Jeans und Sweatshirt anzog: gleich über den
Schlafanzug.
„Nichts war“, sagte Tim und berichtete.
„Und deshalb stehst du schon auf?
Mitten in der Nacht?“
„Ich sehe nach, ob die Tümmel in ihrem
Zimmer ist. Oder ob sie bei ihrem Knobel rumhängt und erst im Morgengrauen
heimkommt.“
„Uih! Denk an Moderlieschen!“
„Der pennt jetzt. Wer käme denn auf die
Idee, daß ich mich — nach dem mißglückten Versuch — noch mal abseile.“
„Jeder, der dich kennt.“
„Ich nehme die Strickleiter. Jetzt habe
ich ja Zeit.“
„Weck mich, wenn du zurück bist“,
meinte Klößchen und drehte sich zur Wand.
Tim verzichtete auf Strümpfe, zog aber
Schuhe an, die zueinander paßten, nämlich die Basketballstiefel.
Auf dem Dachboden holte er die
Strickleiter aus ihrem Versteck.
Diesmal verlief alles ohne
Zwischenfall.
Tim hängte die Strickleiter an den
Mauerhaken, kletterte in den Hof hinunter, blieb witternd im schwarzen Schatten
der Hauswand und rannte — als keine Gefahr drohte — hinüber zum
Angestelltenhaus.
Der Parterreflur führt von vorn nach
hinten durchs Haus. Das Flurfenster hinten war ein Kippfenster.
Mit einem Stöckchen stocherte Tim durch
den Spalt. Der Kipphebel ließ sich hinunterdrücken.
Dann mußte der TKKG-Häuptling rasch
zugreifen, damit das Fenster nicht in den Flur fiel.
Eine Deckenleuchte verbreitete Licht.
Tim kletterte hinein und hängte das
Fenster wieder in die richtige Position.
Wenn sie mich hier erwischen, dachte
er, bin ich geliefert.
Lautlos tappte er durch den Flur.
Zu beiden Seiten lagen Zimmer.
Tim eilte die Treppe hinauf.
Jeder Schüler der Oberstufe wußte —
zumindest ungefähr — , in welchem Zimmer welches Küchen- bzw. Hausmädchen
schlief.
Wie es unvermeidbar ist unter
ausschließlich männlichen Schülern, hatten sich die Zimmernummern auch zu den
Jüngeren rumgesprochen.
Aber jetzt — im ersten Obergeschoß —
blieb Tim stehen: voller Zweifel.
Verdammt! Wohnte die Tümmel in Nr. 6
oder in Nr. 9?
Bislang hatte ihn das so wenig
gekümmert, daß er
Weitere Kostenlose Bücher