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Schwarze Piste

Schwarze Piste

Titel: Schwarze Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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gut. Die meisten haben sie ja bis heute nicht erwischt. Aber die hatten keine Ahnung von wirtschaftlichen Zusammenhängen. Wie willst du deinen Gegner besiegen, wenn du nicht weißt, wie er funktioniert? Das war naiv.«
    »Dafür ist dir aber ganz schön einer abgegangen bei dem Gedanken, auch mal mitzumachen.« Josepha lächelte Jörg an.
    »Ich fand die Konsequenz der RAF immer bewundernswert. Aber sie haben nichts bewirkt. Und das hab ich damals schon gesehen. Sorry.«
    »Du hast die Leute verehrt. Das war Starkult.«
    »Bullshit! Antiimperialistischer Kampf, ja. Fand ich toll. Und man muss ihnen zugutehalten: Das war weitsichtig. Was die USA heute abziehen, ist ja noch um einiges krasser als damals in Vietnam. Aber das war keine Heldenverehrung von meiner Seite. Das zu behaupten ist unfair.«
    »Hast du die Pistole von Birgit Hogefeld noch?«
    »Und? Ein Souvenir aus der Studentenzeit.«
    »Devotionalie trifft’s wohl eher. Schmeiß sie weg.«
    »Ich denk gar nicht dran. Worauf willst du eigentlich hinaus?«
    »Kennst du noch deine Lieblingssprüche: Man trägt die Revolution nicht auf den Lippen, um von ihr zu reden, sondern im Herzen, um für sie zu sterben!«
    »Wir wären fast gestorben. In Nicaragua.«
    »Ja, weil der Bus, der uns zur Kooperative bringen sollte, keine Bremsen hatte. Ich glaube, das hat Che Guevara nicht gemeint.«
    »Ich fand das immer eine reale Option. Ich meine, den bewaffneten Kampf. Aber du bist ja da nicht reingekommen in diese Kreise.« Annette zupfte wieder an ihrem Seidentuch.
    Sophie sah sie verwundert an. »Du hättest da echt mitgemacht?«
    »Ja, sicher. Ich meine, wir konnten ja nur von außen unterstützen und Aktionen machen, um das Umfeld zu bereiten. Aber wenn sich die Gelegenheit ergeben hätte – ich glaub, ich hätte mitgemacht. Du nicht?«
    Sophie zuckte mit den Schultern. »Nur, wenn da was Sinnvolles rausgekommen wäre. Leute in die Luft sprengen fand ich noch nie gut, wenn ich ehrlich bin.«
    »Es hat nur solche erwischt, die selber Blut an den Händen hatten.«
    »Das ist doch alles Gerede. Keiner von euch hätte je wirklich was gemacht. Ich schließ mich da gar nicht aus«, sagte Josepha. »Wir haben endlos diskutiert, und die anderen haben gebombt und geschossen.«
    »Ich weiß nicht, was dich so sicher macht? Kennst du uns so gut?« Jörg war inzwischen ein wenig angefressen.
    »Wir haben lange genug zusammengelebt. Ihr seid keine Selbstmordattentäter.«
    »Das nicht. Aber wenn sich die Gelegenheit geboten hätte, etwas Sinnvolles zu machen, dann hätte ich es getan.«
    »Mit Gewalt?«
    »Mit Gewalt.«
    »Aber da gab’s nichts, was sinnvoll gewesen wäre?«
    »Ich hab’s dir erklärt: Die Leute haben den Kapitalismus nicht verstanden. Also konnten sie ihn auch nicht wirkungsvoll bekämpfen. Was die gemacht haben, ging an der Sache vorbei. Davon abgesehen, habe ich damals von wirtschaftlichen Dingen auch wenig Ahnung gehabt.«
    »Aber heute hast du Ahnung.«
    »Heute hab ich Ahnung.«
    »Warum dann nicht heute Aktionen machen? Du hast nicht nur Ahnung von Geld, du hast auch Geld. Ideale Voraussetzungen für einen Revolutionär.«
    »Ist heute aber eine andere Zeit«, sagte Sophie.
    »Warum? Es ist immer die richtige Zeit, das Richtige zu tun. Die Frage ist nur – was wäre denn das Richtige?«
    Jörg dachte ein paar Sekunden nach und kaute auf seinem Gulasch herum. »Umverteilung.«
    »Von reich nach arm.«
    »Natürlich. Klar – du wirst mit einer Aktion nicht die Welt retten. Aber du kannst viel bewirken. Was könntest du mit zehn Millionen in Nicaragua alles machen? Es würde Hunderten, Tausenden von Leuten bessergehen. Und nur einer verliert die Kohle. Aber dem würde das nichts ausmachen, weil er wäre dann immer noch unermesslich reich nach Maßstäben der Dritten Welt.«
    »Tolle Sache. Leider alles im Konjunktiv.«
    »Okay. Dann ziehen wir’s doch durch.« Jörg bestellte noch ein Bier bei der vorbeihuschenden Bedienung. »Du hast uns da wirklich auf eine Idee gebracht. Also? Machen wir’s?«
    Es folgten ein paar Augenblicke beklommener Stille. Dann meldete sich Sophie. »Das ist jetzt ein Spaß oder wie?«
    »Ne, ich mein’s ernst.«
    Die Frauen sahen sich gegenseitig an, als hätten sie das Gefühl, im falschen Film zu sein. Jörg lehnte sich zur Tischmitte und senkte die Stimme, die Frauen kamen mit ihren Köpfen näher. »Was ich meine, ist eine Aktion, bei der wir zehn Millionen Euro abgreifen und dorthin leiten, wo sie wirklich gebraucht

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