Schwarze Piste
sich eine Damenhandtasche mit im Grab.
Daniela Kramm schüttelte den Kopf. »Wo war das Foto?«
»In der Jacke, die Ihre Schwester anhatte.«
»Ich kenne das Foto nicht. Und ich wüsste auch nicht, wo meine Schwester das Foto herhaben sollte. Ist das aus irgendeinem Krieg?«
»Keine Ahnung. Das kann überall sein.«
»Vielleicht gehörte das Foto gar nicht meiner Schwester. Vielleicht hat es ihr der Täter in die Jacke gesteckt.«
»Wenn es einen Täter gibt.«
»Warum glauben Sie, dass es Selbstmord war?«
»Es spricht im Augenblick viel für Suizid. Das kann sich aber ändern. Wir müssen die Untersuchungsergebnisse abwarten.«
Die KIT -Dame bot Daniela Kramm Tee an. Sie nahm ihn leise dankend entgegen. Die anderen in der Runde lehnten das Angebot ab.
»Nehmen wir an, es war kein Selbstmord. Kennen Sie jemanden, der einen Grund hatte, Ihre Schwester zu töten?«
Daniela Kramm nippte an dem dampfenden Plastikbecher und wärmte sich die Hände daran, sie fröstelte, obwohl die Heizungen liefen und es so warm war, dass sogar Wallner seine Mütze abgenommen hatte. »Glaub nicht.« Mit einem Mal füllten sich ihre Augen wieder mit Tränen, die kurz darauf ihre Wangen hinunterliefen und vom Kinn tropften. Kreuthner reichte ihr ein Papiertaschentuch.
»Entschuldigung«, sagte sie und schneuzte sich. Dann ging ein Ruck durch die junge Frau, und die Tränen versiegten so plötzlich, wie sie gekommen waren.
»Doch …«, sagte sie. »Es gibt jemanden, dem ich es zutraue.« Daniela Kramm nickte auf eine sehr bestimmte Art und sah an Wallner vorbei nachdenklich in die Ferne.
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12
E s ist noch nicht so lange her. Vielleicht zwei Wochen. Am Nachmittag so gegen fünf stand sie auf einmal im Stall. Es war schon dunkel. Ich hatte gerade die Pferde von der Weide geholt. Sie stand da und hat nach Sophie gefragt und gesagt, sie wäre eine alte Freundin Ich hab sie rüber ins Haus geschickt.«
»Die Frau hat ihren Namen nicht genannt?«
»Doch. Stalin.«
»Stalin?«
»Das wird ihr Spitzname gewesen sein.«
»Was war verdächtig an der Frau, außer ihrem Namen?«
»Sie war ungefähr eine halbe Stunde bei Sophie. Als ich im Stall fertig war und auf den Hof raus bin, ist sie gerade gegangen. Sie hat beim Abschied zu Sophie gesagt: Ihr könnt euch echt ’ne Menge Ärger ersparen. Überleg’s dir!«
»Was hat sie damit gemeint?«
»Ich weiß es nicht. Natürlich hab ich meine Schwester gefragt. Aber sie hat nur gesagt, das wär eine Verrückte. Sie kannte sie vom Studium, hatte aber länger nichts mit ihr zu tun gehabt.«
»Was meinte sie mit ›Verrückte‹?«
Anstatt zu antworten, zog Daniela Kramm die Schultern hoch und fröstelte. Schließlich verfiel sie wieder in Apathie.
»Frau Kramm? Geht es Ihnen nicht gut?«
Sie sah Wallner an, als hätte er sie aus einer Trance gerissen. »Nein, es geht schon. Wie … wie war die Frage?«
»Was Ihre Schwester mit ›Verrückte‹ meinte.«
»Was hat sie damit gemeint?« Daniela Kramm sah Wallner versonnen in die Augen. »Ich denke mal, dass sie … dass sie verrückt war. Geistig gestört.«
»Und sie hat Ihnen nicht gesagt, worauf sich die Drohung bezog? Oder wer sich da Ärger ersparen kann?«
»Sie hat nur gesagt, die ist nicht richtig im Kopf. Ich solle mir keine Sorgen machen. Aber sie selber hat sich Sorgen gemacht. Das habe ich gesehen. Sie war die letzten zwei Wochen nervös und schreckhaft.«
»Haben Sie Ihre Schwester darauf angesprochen?«
»Ja. Aber sie hat ausweichend geantwortet und gesagt, da sei nichts.«
»Hat sie Ihnen nicht vertraut?«
»Ich glaube, sie wollte mich nicht in die Sache hineinziehen.«
»Könnten Sie die Frau beschreiben?«
»Eher nicht. Ich hab sie nur kurz gesehen. Und sie hat eine Mütze aufgehabt. Vielleicht würde ich sie wiedererkennen.« Sie besann sich für einen Moment. »Sie glauben mir also, dass es Mord war?«
»Ich glaube Ihnen, dass diese Frau Ihre Schwester besucht hat. Ob sie etwas mit dem Tod Ihrer Schwester zu tun hat, weiß ich nicht. Wenn wir Hinweise finden, dass Ihre Schwester sich nicht das Leben genommen hat, werden wir der Spur natürlich nachgehen.« Wallner beendete damit die Befragung.
»Wollen Sie in ein Hotel? Wir würden Sie hinfahren«, sagte Mike.
Daniela Kramm wollte nicht ins Hotel.
»Kein Problem. Sie können natürlich nach Hause fahren. Morgen früh kommen allerdings die Kollegen von der Spurensicherung. Wir würden Sie bitten, in den Räumen Ihrer Schwester nichts
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