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Schwarze Piste

Schwarze Piste

Titel: Schwarze Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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anzufassen und auch möglichst nichts wegzuwerfen. Vor allem keine Schriftstücke.«
    Daniela Kramm versprach, sich daran zu halten. Dann ging sie zu ihrem Wagen. Kreuthner sah ihr nach und wirkte besorgt.

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    A uf dem Gnadenhof Riedern lebten zu dem Zeitpunkt, als Sophie Kramm starb, zehn Pferde, sieben Esel, acht Hunde, vierunddreißig Katzen, ein Dutzend Hasen, zwei Rehe, vier Hausschweine, ein Truthahn, eine Truthenne, sechs Gänse, zweiundzwanzig Hühner unterschiedlicher Rassen, davon drei Masthühner, die ihre genormte Lebenserwartung von dreißig Tagen um ein Vielfaches überschritten hatten, vier Enten sowie zwei Igel, die zum Winterschlaf in Pappkartons auf dem Heuboden eingelagert waren. Die meisten Tiere waren alt oder krank oder beides, und sie hatten ausnahmslos traurige Lebensgeschichten. Auf dem Gnadenhof durften sie alt werden und sterben, ohne dass sie gemolken, geritten, als Gebärmaschinen benutzt oder zum Schlachthof gefahren wurden.
    Schon als Jugendliche hatte Sophie Kramm das Verlangen verspürt, anderen zu helfen, und nach dem Abitur Sozialpädagogik studiert. In den neunziger Jahren arbeitete sie einige Zeit als Erzieherin in einer Einrichtung für lernbehinderte Kinder. 1996 vermachte ihr eine Tante einen Bauernhof, der vier Kilometer nördlich des Tegernsees in dem Weiler Riedern lag. Auf dem Hof hatte es seit den sechziger Jahren kein Milchvieh mehr gegeben. Die Tante hatte stattdessen Zimmer an Urlaubsgäste vermietet. Um die Kinder der Gäste zu unterhalten, hatte die Tante zwei Zwergesel angeschafft sowie eine Ziege und mehrere Katzen und Hunde. Vier Jahre vor ihrem Tod war sie an schwerer Arthrose erkrankt und musste das Vermieten von Ferienzimmern aufgeben. Als Sophie Kramm ihr Erbe antrat, hatte die Ziege eine Infektion an den Hufen und starb bald. Auch die Zwergesel, Hunde und Katzen waren in schlechtem Zustand. Die Tante hatte sie infolge ihrer eigenen Gebrechlichkeit nur noch notdürftig versorgt. Neben dem landwirtschaftlichen Anwesen erbte Sophie eine sechsstellige D-Mark-Summe. Sie beschloss, sich um die Tiere zu kümmern und den Hof weiterzuführen.
    Im Lauf der Zeit sprach sich herum, dass Sophie ein Herz für bedürftige Tiere hatte, und man brachte ausgesetzte Hunde und Katzen zu ihr und Pferde, die man vor dem Abtransport in italienische Schlachthäuser retten wollte. Als jemand erfuhr, dass in Tschechien ein Lastwagen mit Eseln aus dem Nahen Osten stand, die wegen mangelhafter Papiere nicht weiterreisen durften und kurz davor waren zu verenden, setzte sich Sophie ins Auto, um auch sie zu retten. Die zwei Rehe wiederum waren als Kitze gefunden und von Menschen aufgezogen worden. An Auswildern war nicht zu denken, denn die Tiere fühlten sich zu den Menschen hingezogen, was ihnen bei der ersten Begegnung mit dem Jäger schlecht bekommen wäre.
     
    Daniela kam im Schneetreiben vor dem Haus an und löste den Bewegungsmelder aus. Eine gelbliche Lampe über der Stalltür schaltete sich ein. Der Hof bestand aus einem langgestreckten Haus mit dem für die Gegend typischen flachen Satteldach. Das Erdgeschoss war gemauert, vorn am Wohntrakt weiß verputzt, hinten im Stallbereich Naturstein, das Obergeschoss in Holz ausgeführt. Ein schlicht geschnitzter Balkon lief um den Wohnteil des Hauses. Stall und Heuboden bildeten eine L-Form. Gegenüber dem Haus lag ein Geräteschuppen, so dass ein auf drei Seiten nahezu abgeschlossener Innenhof entstand.
    Die Hunde und einige der Katzen saßen vor dem Haus oder unter dem Dach des Geräteschuppens und sahen Daniela aufmerksam an, als sie aus dem Wagen stieg. Ihre Augen waren gerötet, ihr Blick leer, ihre Schultern hochgezogen. Kein Hund bellte, keine Katze gab ein Geräusch von sich. Alle saßen stumm, als hätte sich das große Unglück schon herumgesprochen. Der Kartäuserkater Joseph leckte sich hektisch und glotzte unsicher zu der Frau am Auto.
    Als Daniela sich in Bewegung setzte, bewegten sich auch die Tiere von ihren Plätzen und begleiteten sie. Es war eine lautlose, pelzige Prozession, die zum Stall zog. Auch der Stall war stumm. Die Tür zu Kaspars Box stand offen wie immer, doch der schwarze Hengst drängte sich hinten an die Wand. Kein Schnauben war im Raum zu hören, nicht einmal die Hühner pickten in ihrem Gehege. William, der Truthahn, schritt zur Begrüßung heran, schien aber zu merken, dass heute ein Zupfen an Danielas Hose unangebracht war. Unentschieden trat er von einem Bein aufs andere, dann drehte er um

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