Schwarze Piste
Telefonnummer?«, fragte Frank, um das Thema zu wechseln. Er war vor einem Jahr für den Betreiber von Tiffanys Tabledance-Bar tätig gewesen. Genauer gesagt, hatte er einem Ex-Angestellten des Barbesitzers, der diesen bestohlen hatte (das behauptete zumindest der Barbesitzer, und es gehörte nicht zu Franks Aufgaben, die Angaben seiner Auftraggeber in Zweifel zu ziehen) –, jedenfalls hatte er dem Mann auftragsgemäß das Jochbein gebrochen, was sehr schmerzhaft war, einen langwierigen Heilungsprozess nach sich zog und in den entsprechenden Kreisen als Zeichen angesehen wurde, dass man den Barbesitzer nicht ungestraft bestehlen durfte. Das Vorgespräch zu dieser Maßnahme hatte in der Bar stattgefunden. Ein paar der Mädchen waren an ihrem Tisch vorbeigekommen oder hatten Frank aus der Entfernung angestarrt. Es war klar, dass der Chef unsaubere Sachen mit dem Mann verhandelte, dessen graublaue Augen so brutal funkelten. Gut möglich, dass auch Tiffany unter den Gafferinnen gewesen war.
»Es ist die Nummer einer ehemaligen Kollegin von mir. Die is vor a paar Jahr verschwunden, und keiner weiß, wo die steckt.«
»Die Nummer wissen Sie wahrscheinlich nicht mehr auswendig?«
»Nein, natürlich net. Des is über drei Jahr her. Die hat mir irgendwann amal den Zettel gegeben.«
»Verstehe. Sie wissen auch nicht ungefähr, wo die Adresse war. Ich meine, so von der Vorwahl her.«
»Tut mir leid. Ich hab den Zettel net amal ang’schaut.«
Frank beschloss, dass das so bleiben sollte. Falls sie den Zettel, nachdem sie ihn gefunden hatte, zu lange ansehen sollte, müsste er sie leider … Wahrscheinlich müsste er das ohnehin. Denn sie kannte jetzt sein Gesicht, und das war markant. Die Polizei würde sofort nach dem falschen Kollegen fahnden – wenn sie von ihm erfuhr. Er verfluchte seinen Auftraggeber Baptist Krugger. Dass der ganze Mist solche Weiterungen nach sich zog, war nicht vorauszusehen gewesen. Aber so war das eben, wenn die Polizei erst mal Witterung aufgenommen hatte. Während Frank Tiffany beim Durchblättern ihrer Papiere zusah, dachte er an Kreuthner, der, wie er recherchiert hatte, zwar bei der Miesbacher Polizei arbeitete, aber nicht als Kommissar, sondern als Streifenpolizist. Dem Foto nach war es der Mann, den er auf dem Gnadenhof getroffen hatte.
Ein Telefon klingelte. Tiffany unterbrach ihre Suche, ging zu ihrer Handtasche, die auf dem Sofa lag, und wollte ihr Handy herausholen. Das aber hatte bereits der Kommissar erledigt. Er sah auf das Display, dann zu Tiffany, die sehr erstaunt vor ihm stand.
»He, wie kommen Sie dazu, mein Handy zu nehmen? Geben Sie’s mir. Das ist bestimmt Ihr Kollege aus Miesbach.« Frank entzog das Smartphone Tiffanys Griff. Er kannte die Nummer. Ja, es war der Kollege aus Miesbach, der da gerade anrief.
»Sie sollten jetzt erst mal die Telefonnummer finden.«
»Geht’s noch? Ich such gar nichts mehr. Verlassen Sie meine Wohnung.«
»Regen Sie sich nicht so auf. Telefonnummer gegen Handy, so läuft das.«
»Was wird das hier? Kann ich mal … Ihren Polizeiausweis sehen?« Tiffanys letzte Worte kamen zaghaft.
»Natürlich«, sagte Frank, griff in seine Jacke und zog ein Jagdmesser hervor. Tiffany wich zurück und rannte zur Wohnungstür. Frank war schneller und hatte sie am Arm gepackt, kurz bevor sie die Tür erreichte. Dann schlug er ihr ins Gesicht. Nur ein Mal, aber gezielt und mit so ungeheurer Wucht, dass sich unter ihrem linken Auge sofort ein Hämatom zu bilden begann. »Such die verdammte Telefonnummer! Ich geb dir zehn Minuten.« Tiffany starrte voller Entsetzen auf das Messer in Franks Hand.
Sie suchte in ihren Papieren, zwischen ihren Büchern, in Schachteln und in Schalen, die alle möglichen Dinge enthielten. Tiffany suchte hektisch, atmete flach und hatte eine unglaubliche Angst. Sie hoffte, dass der Mann, der mit Sicherheit nicht von der Polizei war, gehen würde, wenn sie die Nummer gefunden hatte. Tränen der Wut liefen ihr übers Gesicht, weil sie die verfluchte Telefonnummer nicht finden konnte. Sie musste im Apartment sein, denn sie hatte die Nummer nicht weggeworfen. Das hätte sie nicht getan. Sie hatte immer vorgehabt, Franzi anzurufen. Irgendwann war so viel Zeit verstrichen, dass es peinlich gewesen wäre. Und sie hatte es auf unbestimmte Zeit verschoben.
Der Mann auf der Couch hatte das Messer vor sich auf den niedrigen Glastisch gelegt. Es hatte Löcher und Zacken und schien aus hartem, scharf geschliffenem Stahl zu sein. Was
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