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Schwarze Piste

Schwarze Piste

Titel: Schwarze Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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mit Pferdeschwanz und Lederjacke. Der coole Thilo. Sie hat sich in ihn verliebt, und sie hatten eine tolle Zeit – sagte sie zumindest. Jeden Tag Demo und gemeinsam gegen die Bullen gekämpft. Thilo hat immer gesagt, er kann keine Kinder haben, weil er politischer Kämpfer ist und die Welt retten muss. Bevor er die Welt gerettet hat, ist er noch mit Sophies Freundin Annette ins Bett und dann einfach abgehauen. Sieben Jahre später hat Sophie erfahren, dass er verheiratet war und zwei Kinder hatte. Inzwischen war er Personalchef bei einer Firma, die Altenheime betrieb. Da musste der sozialistische Held Leute rausschmeißen. Das hat sie echt getroffen. So was machen Tiere einfach nicht mit dir.«
    »Weil keiner a Pferd als Personalchef einstellt.«
    »Ja. Wahrscheinlich liegt’s daran.«
    Kreuthner versuchte, sich ein wenig anders hinzusetzen, weil ihm das Bein einschlief, was ihm einen missbilligenden Blick des Monsterkaters auf seinem Schoß eintrug. »Wieso bist du eigentlich auf den Hof gekommen?«
    »Die ganze Geschichte?«
    »Ich bin beurlaubt. Ich hab Zeit.«
    Daniela legte noch ein Scheit nach und betrachtete nachdenklich die hochlodernden Flammen. » 1982 sind unsere Eltern bei einem Autounfall gestorben. Ich war sieben und Sophie achtzehn. Deswegen bin ich bei meinen Großeltern aufgewachsen. In Reichersbeuern, nicht weit von hier. Sophie auch. Aber ein Jahr später hat sie Abitur gemacht und ist nach München zum Studieren.«
    »Waren die nett, deine Großeltern?«
    »Die haben sich ihr Leben lang gehasst und kaum miteinander geredet. Und jeder hat versucht, mich auf seine Seite zu ziehen. Mit anderen Worten, es war beschissen, bei denen aufzuwachsen. Die einzigen Lichtblicke waren, wenn Sophie aus München gekommen ist. Am Anfang noch oft, fast jedes Wochenende. Dann immer seltener. Ich hätte sie gern öfter gesehen, aber ich war zu jung, um sie in München zu besuchen. Deswegen habe ich auch von ihrer WG nicht viel mitbekommen. Einmal hat sie mich mitgenommen, da war ich vierzehn. Aber meine Großeltern haben sonst nicht erlaubt, dass ich nach München fahre. Ich glaube, sie waren eifersüchtig. Weil sie wussten, dass nicht sie die Eltern für mich waren, sondern Sophie. Sophie war mein großes Vorbild. In allem. Ich wollte so werden wie sie. Und als ich endlich erwachsen war, bin ich auch nach München. Das war vierundneunzig.«
    »Da hat deine Schwester aber nicht mehr studiert.«
    »Nein. Da hat sie schon gearbeitet. Aber ich habe eine Zeitlang bei ihr gewohnt.«
    »Und das Gleiche studiert?«
    »Nicht Sozialpädagogik. Sophie war öfter in Mittelamerika und hat irgendwelche sozialen Projekte besucht. Das fand ich unglaublich spannend. Und deswegen hab ich Romanistik studiert mit Schwerpunkt Spanisch.«
    »Wie bist du jetzt auf den Hof gekommen?«
    Troll verließ endlich Kreuthners Schoß und lief eilig in Richtung Geräteschuppen. Anscheinend waren da die Mäuse unterwegs. »Sechsundneunzig hat Sophie den Hof von unserer Tante geerbt. Da hab ich noch studiert. Ich bin so oft ich konnte rausgefahren und hab ihr geholfen. Zwei Jahre später ist es dann passiert.« Sie füllte noch ein Glas Kirschwasser nach und nahm einen Schluck. »Ich wollte nicht nur so werden wie Sophie. Ich fand auch die Männer toll, die sie toll fand.«
    »Aber nicht den coolen Thilo?«
    »Da war ich zehn Jahre alt. Nein, nein. Der, um den es ging, hieß Uwe. Der war eines Tages auf dem Hof und lebte hier mit Sophie zusammen. So ein bisschen hippiemäßig mit langen Haaren und Motorrad. Hatte schon was. Tja, da hab ich mich eben auch in ihn verknallt. Und eines Tages erwischt uns Sophie im Heu. Gab natürlich einen ziemlichen Aufstand, sie hat mich rausgeschmissen und jeden Kontakt mit mir abgebrochen. Ich hab’s ja verstanden. Aber es hat wahnsinnig weh getan. Drei Jahre lang. Nie zurückgerufen, nie auf Briefe geantwortet – sie hatte damals noch kein E-Mail.« Aus dem Geräteschuppen hörte man plötzlich lautes Fauchen und Kreischen, dann schoss eine nicht zum Hof gehörige Katze pfeilgleich aus der Dunkelheit und flüchtete den Feldweg entlang. Troll trat ins Licht und leckte sich zufrieden die Pfoten. Der Job war erledigt. » 2001 war ich zufällig hier in der Gegend mit dem Auto unterwegs und hör im Radio die Sache mit dem World Trade Center und dass irgendwie die Welt zusammenbricht. Und ich denk mir, was, wenn Sophie das gar nicht mitbekommen hat? Da bin ich zu ihr auf den Hof gefahren und hab gesagt: Du musst den

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