Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
Eifersucht.“
„Hör sofort mit diesen infamen Verleumdungen auf, Grace“, rief Violet und fasste den Griff des Kutschenschlags. „Wenn du mir nichts Anderes zu sagen hast, dann steige ich auf der Stelle aus!“
„Himmel!“, regte sich Grace auf. „Wo hast du eigentlich deinen Verstand? Es liegt doch auf der Hand: Marlow wurde von seiner Frau betrogen und sogar in die Hand geschnitten. Es ist doch ganz logisch, dass er einen Hass auf Frauen mit sich herumschleppt. Auf Frauen, die zierlich und dunkelhaarig sind wie Clarissa. Und dieser ominöse Mörder tötet genau diese Sorte Frauen. Hast du schon mal in den Spiegel gesehen, Violet Burke?“
Violet starrte ihre Freundin an. Es war purer Unsinn, was Grace da redete. Nicholas war unschuldig, dessen war sie sich ganz sicher. Es waren nichts als unglückliche Zufälle.
„Wie viele Beweise willst du denn noch?“, fuhr Grace aufgebracht fort. „Du sitzt in der Höhle des Löwen und er sperrt schon das Maul auf, um dich zu fressen. Also nimm die Beine in die Hand. Am Besten, du kommst gleich mit mir in die Cullum Street.“
„Woher weißt du das alles, Grace? Hat Nicholas dir etwa von seiner Frau erzählt?“
Grace rückte ihren hohen Hut zurecht, der bei einer Straßenunebenheit an die Decke der Kutsche gestoßen war.
„Natürlich nicht, Schäfchen. Wir hatten anderes zu tun in dem halben Stündchen, das er damals bei mir war. Ein kleines Vöglein hat mir etwas zugezwitschert.“
„Was für ein Vöglein? Einer deiner Kunden etwa?“
„Das möchte ich dir nicht unbedingt auf die Nase binden, meine Liebe. Auf jeden Fall sind wir alle sehr besorgt um dich. Es wird oft nach dir gefragt, gerade gestern hat sich der schüchterne Mr. Jameson eingehend nach dir erkundigt.“
„Wer auch immer“, fiel Violet ihr aufgeregt ins Wort. „Diese Leute sollten sich schämen, solch böswillige Verleumdungen zu verbreiten. Nicholas Marlow ist kein Mörder. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.“
Grace verdrehte die Augen zur Kutschendecke und stöhnte leise auf.
„Großer Gott – wie kann eine erwachsene Frau nur so dämlich sein. Mach dich davon, bevor es zu spät ist, oder du liegst eines schönen Tages irgendwo in einem dunklen Hauseingang mit einer hübschen Verzierung am Handgelenk und einem Messer im Rücken.“
„Das werde ich ganz gewiss nicht!“
„Das haben die anderen auch gesagt, Violet.“
Violet hatte jetzt genug, sie riss das Kutschenfenster auf und befahl dem Kutscher, anzuhalten.
„Wenn du es genau wissen willst“, sagte sie wütend zu Grace. „Nicholas und ich reisen noch heute Nachmittag ab. Zuerst auf sein Gut Crofton Hall und danach weiter auf den Kontinent.“
„Was?!“
Doch Violet hörte Grace‘ Aufschrei nicht mehr, denn sie war bereits leichtfüßig aus dem Wagen gehüpft und in der Menschenmenge untergetaucht.
Violet war eine Weile ziellos durch die Straßen gelaufen, aufgewühlt von dem, was Grace ihr so freimütig erzählt hatte.
Ich hätte gar nicht hinhören sollen, dachte sie schließlich zornig. Es ist doch völlig klar, dass sie Nicholas nur angeschwärzt hat, um mich in die Cullum Street zurückzuholen. Aber sie wird ihr Etablissement ohne meine Mithilfe führen müssen – ich will niemals wieder etwas mit Grace Dolloby zu tun haben!
Es war zu spät, um noch zu den Chrestles zu gehen und die Unruhe in ihr war zu groß. Auch wenn Grace ihre eigenen Ziele verfolgt hatte – es war immerhin möglich, dass diese scheußlichen Gerüchte inzwischen weitere Kreise gezogen hatten. Sie hatte plötzlich Angst um Nicholas. Forch hatte recht: Allein der Verdacht – auch wenn er unbegründet war – reichte in diesen aufgeregten Zeiten, um einen Menschen zu ruinieren. Sie mussten so rasch wie möglich abreisen und darauf hoffen, dass dieses Monster während ihrer Abwesenheit endlich gefasst wurde.
Vor dem Haus in der Warwick Street wartete bereits Marlows Wagen, hoch bepackt mit Koffern und Schachteln, und Charles war eben dabei, das Gepäck mit einem festen Seil zu sichern.
„Miss Burke!“, rief er ihr zu. „Gehen Sie nur rasch hinein – Mr. Marlow wartet auf Sie.“
Violet nickte ihm zu und trat mit klopfendem Herzen ins Haus. Dieses Mal würde sie sich nicht von ihm abkanzeln lassen, sie würde ihm frei und ehrlich sagen, was sie von seiner ständigen, unbegründeten Eifersucht hielt. Wenn er sie wirklich liebte – und das hatte sein Schreiben bewiesen – dann musste er lernen, ihr zu vertrauen.
Maggy lief
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