Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
dich verletzt?“
Er kniff die Augen zusammen. „Wir hatten einige sehr heftige Auseinandersetzungen“, gestand er vorsichtig.
Violet begriff, dass er ihr nichts von der Narbe an seiner Hand erzählen wollte. Fürchtete er, sie könne ihn verdächtigen? Es verletzte sie.
„Bist du nie auf die Idee gekommen, dass sie vielleicht krank war? Dass sie Hilfe brauchte?“
Er lachte bitter.
„Ich habe versucht, mit ihr zu sprechen – sie ging nicht darauf ein. Ich habe einen Arzt geholt – den hat sie nicht an sich herangelassen. Ich habe mit ihren Eltern geredet – ohne Ergebnis. Schließlich habe ich die Scheidung vorgeschlagen – aber meine hochgeborenen Schwiegereltern drohten, mich in diesem Fall beruflich zu ruinieren. Während der letzten Wochen lebten wir völlig voneinander getrennt – sie im zweiten Stock und ich im ersten. Ich suchte Ablenkung, war jeden Abend unterwegs, im Klub, im Theater und auch …“
„Ich weiß“, sagte sie rasch. Er hatte aus Enttäuschung und Zorn seine Abende mit Prostituierten verbracht. „Es war nicht deine Schuld, Nicholas. Was geschehen ist, war ein Verhängnis.“
„Ihr Tod hat mich tief erschüttert“, gestand er. „Ich habe mir Vorwürfe gemacht, und doch wusste ich nicht, wie ich ihr hätte helfen können. Dazu kam, dass ihre Eltern mir die Schuld gaben und völlig absurde Gerüchte über mich in die Welt setzten. Wäre mein Freund Jeremy Forch nicht gewesen – man hätte mir noch einen Mordprozess an den Hals gehängt.“
„Das haben die Chrestles behauptet?“, rief Violet erschrocken. „Wie ist das nur möglich. Sie erschienen mir beide so freundlich.“
„Freundlichkeit ist etwas, das man in diesen Kreisen anerzogen bekommt, Violet. Es hat nichts mit den wahren Gefühlen zu tun“, sagte er zornig. „Ihre gesellschaftliche Stellung war ihnen heilig, nur keinen Skandal, kein Fleckchen auf die Familienehre, mit Geld lässt sich ja alles regeln. Aber sie haben nicht mit der Sturheit ihrer Tochter gerechnet, die beharrlich an ihrem Liebhaber hing.“
„Hast du jemals herausbekommen, wer es war?“
Er schüttelte den Kopf und hob wieder den Vorhang, denn der Wagen hatte angehalten und von draußen drangen wütende Stimmen herein. Sie befanden sich direkt vor Westminster Bridge in einem Verkehrsstau und Charles hatte heftig damit zu tun, die Pferde ruhig zu halten.
„Nein“, sagte Marlow düster. „Manchmal glaubte ich fast, es mit einem Phantom zu tun zu haben.“
Die Kutsche ruckelte und setzte sich langsam wieder in Bewegung. Dicht neben ihnen rumpelte ein schwer beladener Karren vorüber und sie hörten den Kutscher lauthals fluchen, da sich ein leichteres Fahrzeug vor ihn gesetzt hatte.
„Genug davon“, sagte Marlow entschieden. „Erzähl mir von dir, Violet.“
„Von mir?“, meinte sie lächelnd. „Oh, da ist nicht allzu viel zu berichten.“
Er lachte und schlang den Arm um ihre Taille, um sie auf seinen Schoß zu ziehen.
„Ich will es trotzdem wissen“, beharrte er.
Trotz ihres Sträubens hielt er sie fest, entfernte sogar ihren Hut und löste mit wenigen Griffen ihr langes, lockiges Haar, damit es ihr über die Schultern fiel. Schließlich gab sie den Widerstand auf, schmiegte sich an ihn und begann zu erzählen. Aufmerksam hörte er zu, wie sie von ihren Eltern berichtete, von dem verwilderten Garten, in dem sie als Kind mit ihrem grauen Kater gespielt hatte, von den kleinen Geheimnissen, die sie mit ihrer Freundin Grace geteilt hatte und auch von ihrer ersten, großen Liebe, Mr. Jones, ihrem Klavierlehrer.
„Muss ich eifersüchtig sein“, meinte er schmunzelnd.
„Kaum. Damals war ich neun Jahre alt. Mr. Jones ist inzwischen glücklich verheiratet und hat vier sehr musikalische Töchter.“
Er grinste und spielte zärtlich mit ihrem Haar, während sie weiterberichtete. Der plötzliche Unfalltod ihrer Eltern, ihre verzweifelten Versuche, ihren Lebensunterhalt als Klavierlehrerin zu verdienen, Grace’ unerwartetes Wiederauftauchen und ihr Hilfsangebot. Er schüttelte immer wieder den Kopf.
Sie erreichten das Landhaus erst spät am Abend. Violet hatte sich auf dem Sitz zusammengerollt, ihren Kopf auf Marlows Schoß gebettet und war eingeschlafen. Erst als er ihr über das Haar strich und sie dann ein wenig am Ohr zog, erwachte sie und richtete sich verschlafen auf.
„Wir sind da, Mylady“, meinte er heiter. „Nur noch ein paar Schritte trennen uns von dem warmen Kaminfeuer und einem schmackhaften, wenn auch
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