Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
ländlichen Abendessen.“
Violet blinzelte in das Licht der Laternen, die am Eingang des Hauses angebracht waren. Es war nicht allzu viel von dem Gebäude zu erkennen, sie bemerkte nur, dass es aus rötlichem Backstein errichtet und von Efeu ziemlich überwuchert war. Vor dem Eingang befand sich ein kleiner Vorbau, der von zwei hölzernen Pfeilern getragen wurde und eine dreieckige Dachhaube trug.
Fröstelnd stieg sie aus der Kutsche und lächelte, als er sorgsam den Arm um ihre Schultern legte, um sie zum Haus zu führen. Ein junger, blonder Bursche half Charles, die Pferde auszuspannen, während ein älterer Angestellter mit struppigem Haar und Bart sich daran machte, das Gepäck abzuladen.
Im Eingang stand eine hochgewachsene, dunkelhaarige Frau, die einen Kerzenleuchter hielt. Sie war in Schwarz gekleidet und musterte Violet mit zusammengezogenen Augenbrauen, wie einen fremden, ungebetenen Eindringling.
„Das ist Mrs. Fox, die Wirtschafterin“, flüsterte er Violet zu. „Sie gibt sich gern streng und unnahbar, ist aber eine sehr verlässliche Person.“
Violet strich sich rasch über das offene Haar, das ihr wirr über die Schultern hing. O weh – so verwildert würde sie sicher nicht den besten Eindruck auf Mrs. Fox machen.
„Willkommen auf Crofton Hall“, sagte Mrs. Fox ohne sich um ein Lächeln zu bemühen. Ihre großen, dunklen Augen waren dabei nur auf Marlow gerichtet, an Violet sah sie vorbei.
„Sie waren lange nicht mehr hier, Mister Marlow.“
„Richtig“, gab er freundlich zurück. „Es muss über ein Jahr her sein.“
Er betrat die Halle mit energischem Schritt und zog Violet mit sich. Es war kaum etwas von der Einrichtung zu sehen, da der Leuchter in Mrs. Fox’ Hand nur einen begrenzten Lichtschein warf. Violet erkannte die Konturen einiger altmodischer Möbel, dann fuhr sie erschrocken zusammen, denn von der Wand starrten sie die gelben, gläsernen Augen eines ausgestopften Wolfskopfes an.
„Keine Sorge“, meinte Marlow lächelnd. „Der arme Kerl hat sein Leben schon vor etlichen Jahren ausgehaucht.“
„Sie wünschen ein Abendessen?“, fragte die Haushälterin.
„Wir sind den halben Tag unterwegs gewesen und haben nicht angehalten. Etwas Kräftiges wäre recht, dazu heißen Tee und einen warmen Kamin.“
„Sehr wohl, Mr. Marlow.“
Violet hatte nicht den Eindruck, dass Mrs. Fox über die Ankunft ihres Herrn besonders erfreut war, es schien ihr eher, dass sie Marlow nicht sonderlich schätzte. Die Wirtschafterin bequemte sich jetzt, einige Lampen anzuzünden, ging voraus in das Wohnzimmer und machte sich am kalten Kamin zu schaffen.
„Überlassen Sie mir das“, meinte Marlow ungeduldig, denn er spürte, dass Violet fröstelte.
„Wie sie wünschen, Mr. Marlow.“
Mrs. Fox richtete sich wieder auf und verließ den Raum. Sie hielt sich sehr gerade und ihr Gang war so leise, dass man hätte glauben können, sie schwebe über den Teppich.
Violet half Nicholas, die Holzscheite aufzuschichten und zu entzünden. Als das Feuer endlich brannte, rückte er zwei Stühle zum Kamin und sie setzten sich, um die Wärme zu genießen.
„Ist es ein großer Besitz?“, wollte sie neugierig wissen.
„Klein ist er nicht. Es gehören Wiesen und Waldstücke dazu, früher gab es Landwirtschaft und Schafzucht. Aber die Chrestles haben das Gut nur zur Jagdsaison besucht und sich ansonsten wenig darum gekümmert.“
„Dann hat Clarissa das Gut in die Ehe gebracht.“
„So ist es“, meinte er und streckte die Füße zum Kamin hin aus. „Ich hänge nicht besonders daran und werde es vermutlich verkaufen.“
Sie schwieg und starrte in die Kaminflammen, die zwar munter flackerten, den Raum jedoch nur wenig erwärmten. Die Chrestles hatten ihre Tochter gut ausgestattet in die Ehe gegeben – ob sie Nicholas deshalb des Mordes beschuldigt hatten? Wollten sie ihn an den Galgen bringen, um sich ihren Besitz wieder zu verschaffen? Aber nein, was für ein verrückter Gedanke! Mrs. Chrestle war zu solchen Machenschaften gewiss nicht fähig und auch Mr. Chrestle war dies nicht zuzutrauen.
Immerhin musste ihre üble Beschuldigung weite Kreise gezogen haben, denn sogar Grace hatte davon gewusst.
„Du bist so nachdenklich?“, forschte er.
„Ich bin nur müde. Hoffentlich bringt sie das Essen bald, sonst schlafe ich vorher ein“, gab sie lächelnd zurück.
Er lachte und berührte ihren Rock mit seinem Fuß.
„Das Schlafzimmer ist gleich nebenan, es ist zwar nicht besonders
Weitere Kostenlose Bücher