Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht
sie zu töten.
Sie konnte den heißen Atem des Mannes in ihrem Nacken spüren. Er atmete hastig, sein Mund war so dicht an ihrem Hals, dass sie fast seine warmen Lippen zu fühlen glaubte. Jetzt löste er den Griff um ihre Taille und seine Hand suchte die Haken, die ihren weiten Mantel verschlossen. Sachte, ohne sich zu beeilen, löste er einen Haken nach dem anderen. Er tat es geschickt und mit Sorgfalt, als wolle er das Kleidungsstück auf keinen Fall beschädigen.
Als seine Hand unter den Mantel fuhr und Violets Kleid berührte, zuckte sie zusammen. Sogleich spürte sie, wie das Messer sich ein wenig tiefer in ihre Haut schob und sie erstarrte.
„Nicht bewegen – sonst dringt es dir ins Herz“, hauchte er dicht an ihrem Nacken.
Seine Lippen waren heiß und trocken und sein lautloses Flüstern hatte etwas von einem Menschen, der sich in Trance befindet. Schaudernd ließ Violet geschehen, dass seine Finger mit den Knöpfen ihres Kleides spielten, sie drehten und zwirbelten und endlich über ihre Brust zu dem kleinen Kragen wanderten, um die Häkchen zu öffnen.
Ein leichter Wind bauschte ihren weiten Mantel und ließ die Enden flattern wie die schweren Flügel eines Nachtvogels. Nebelschwaden umzogen sie, legten sich mit feuchter Kühle auf ihre Haut, als der Mann jetzt das Oberteil des Kleides auseinanderzog.
Tastend glitten seine Finger über ihr entblößtes Dekolleté, suchten die kleine Senke ihrer Halsgrube und wanderten langsam ihren Hals aufwärts bis zum Kinn. Sie bog den Kopf zurück und fühlte erbebend, wie seine Hand sachte wieder hinabglitt, über ihren Kehlkopf strich, einen Augenblick dort verharrte und sich dann weiter nach unten bewegte.
„Nein!“
„Still!“
Das Messer stach tiefer in ihren Rücken und es tat weh. Er hakte ihr Korsett unter dem Hemd auf, arbeitete rasch und sicher, so als vollführte er diese Bewegungen täglich, glitt mit einer langsamen Bewegung über ihre bloße Haut und legte seine Hand für einen kleinen Moment unter ihre linke Brust.
Er atmete jetzt stoßweise und so heftig, dass sie meinte, er würde sie verbrennen. Ihr Herz hämmerte und sie wusste, dass er es nur allzu deutlich fühlen konnte. Warum tat er das mit ihr? Warum dachte er sich solch verrückte Dinge aus? Oh Gott – was mochte er noch alles mit ihr vorhaben, bevor er ihr endlich das Leben auslöschte?
Plötzlich war sie frei. Ungläubig stand sie im Nebel, spürte ihren Peiniger nicht mehr, fühlte nur die Kälte, die ihre bloße Haut berührte – doch das Messer in ihrem Rücken war verschwunden.
Sie wandte sich um – doch die Dunkelheit hinter ihr war undurchdringlich. War das ein hinterhältiges Spiel, das er mit ihr treiben wollte? Würde er Vergnügen dabei empfinden, ihrer verzweifelten Flucht zuzusehen, um sie dann doch wieder einzuholen und endgültig in seine Gewalt zu bringen?
Zögernd ging sie einige Schritte – dann überfiel sie eine wilde Panik und sie begann zu laufen. Sie raffte ihre Röcke, rannte mit offenem Kleid und flatterndem Mantel auf das gelbliche Laternenlicht zu und hörte das Klappern ihrer Absätze auf dem Straßenpflaster.
Es ist doch genau das, was er will, schalt sie sich. Bleib stehen, versuche in der Dunkelheit unterzutauchen.
Doch die Angst war übermächtig. Wie eine Besessene lief sie durch die dunkle, dunstverhangene Straße, rang schon bald nach Luft und blieb dennoch nicht stehen, denn sie hielt das knatternde Geräusch, das ihr flatternder Mantel erzeugte, für die Schritte ihres Verfolgers.
Erst als ihre Kräfte endgültig zu schwinden drohten und sie nur noch gleißende Fünkchen vor den Augen sah, verlangsamte sie die Schritte und lehnte sich schließlich vollkommen erschöpft gegen die hölzerne Wand eines Gebäudes. Um sie herum dröhnte das Hämmern ihres eigenen Herzens. Dann erblickte sie schwankende, dunkle Gestalten vor sich im Nebel und hörte Stimmen, die ein wohlbekanntes Lied grölten.
„Oh my darling Clementine …“
Eine Gruppe betrunkener Seeleute wankte durch die Straße, auf der Suche nach der nächsten Kneipe. Es war nicht die beste Gesellschaft, normalerweise wäre sie diesen Leuten vorsichtig ausgewichen, doch jetzt raffte sie hastig den Mantel um sich und eilte auf die Männer zu, als seien diese eine rettende Insel.
„He Süße! Kommst ja aus dem Nebel wie ein Gespenst!“
Lachende Gesichter wandten sich ihr zu, sie atmete den Geruch von Brandy und Bier vermischt mit stinkendem Kautabak. Einer der Kerle umfasste
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