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Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht

Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht

Titel: Schwarze Rose der Nacht - Amber, P: Schwarze Rose der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Amber
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helles, hochgeschlossenes Spitzenkleid, auf dem sich ein zierlicher Anhänger wie ein dunkler Tropfen abhob. Das schwere Haar hatte sie am Hinterkopf zusammengesteckt, und es fiel in dichten Locken über ihre Schultern.
    Violet schloss die Augen und spürte, dass ihr schwarz vor Augen wurde. Das war es. Sie hatte es immer geahnt und nicht wahrhaben wollen.
    „Sie sehen meiner Tochter ungeheuer ähnlich, Miss Burke. Es ist mir schon im Green Palace aufgefallen. Und jetzt, da Sie vor mir sitzen, ist der Eindruck noch sehr viel stärker.“
    Violet öffnete die Augen und versuchte, gegen den Schwindel anzukämpfen. Das ganze Zimmer schwankte und Mrs. Chrestle, die sich wieder zum Schreibtisch begeben hatte, um das Bild vorsichtig auf seinen Platz zu stellen, schien über dem Teppich zu schweben. Hatte Marlow sie deshalb bei sich aufgenommen? Hatte er eine zweite Clarissa gesucht?
    „Was für ein seltsamer Zufall“, brachte sie mühsam hervor.
    „Nun – so etwas kommt vor“, meinte Mrs. Chrestle und wandte sich ihr lächelnd wieder zu. „Ich möchte sie bitten, mir jetzt ein wenig vorzuspielen. Nur einige kleine Stücke, ich will Ihre Zeit nicht allzu lange in Anspruch nehmen. Gehen wir hinüber ins Musikzimmer.“
    „Es wird mir eine Freude sein.“
    Violett versuchte, ihrer Stimme einen heiteren Ton zu geben und fasste ihre Noten, die sie auf dem Tisch abgelegt hatte. Ihr war immer noch schwummrig, doch sie riss sich zusammen. Nur jetzt keinen Fehler machen, sie durfte Mrs. Chrestles Vertrauen auf keinen Fall verlieren.
    Das Dienstmädchen kam ihnen auf dem Flur entgegen, ein Tablett mit der Teekanne und dem Geschirr in den Händen, und Mrs. Chrestle bedeutete ihr, im Musikzimmer zu servieren.
    Der Raum war groß und ebenso düster wie die anderen Zimmer, auch als das Mädchen die Vorhänge von den Fenstern zog, hellte er sich nicht wesentlich auf. Breite Schränke voller Noten nahmen eine der Längswände ein, auf der anderen Seite gab es Vitrinen, in denen eine Reihe von Musikinstrumenten untergebracht war. Eine Portiere aus fein gewirktem, dunkelblauem Brokat verhüllte eine Tür, die in ein Nebenzimmer führte.
    In der Mitte des Raumes stand ein wuchtiger, schwarzer Konzertflügel, der Violet fast den Atem nahm. Sie hatte solch ein Instrument nur einmal im Leben gesehen, als sie mit ihrem Vater ein Konzert in der Royal Albert Hall besuchte. Der Gedanke, an diesem großartigen Instrument spielen zu dürfen, war so berauschend, dass er für einen Augenblick alle anderen Empfindungen überdeckte.
    „Nehmen Sie einen Tee, bevor Sie spielen.“
    „Danke. Ich möchte lieber gleich beginnen.“
    Violet näherte sich dem Flügel voller Andacht, schob behutsam den Kelim beiseite, den man schräg über das Instrument gedeckt hatte, und machte sich daran, den schweren Deckel aufzuklappen, hinter dem sich die Notenauflage verbarg. Über der Tastatur lag ein Tastenschutz aus gefüttertem Seidenstoff, den jemand liebevoll mit farbigen Blütenranken bestickt hatte. Wieder spürte sie ein leises Zittern – war es Clarissa gewesen, die diese Handarbeit gefertigt hatte? Vorsichtig entfernte sie den Stoff, legte ihn behutsam auf einen Stuhl und stellte ihre Noten auf.
    Mrs. Chrestle hatte sich auf einen Sessel dicht neben der Portiere gesetzt, ihr Gesicht wurde durch einen breiten Schrank beschattet, sodass Violet ihre Züge nicht genau erkennen konnte. Doch sie bemerkte, dass Mrs. Chrestle sie unablässig betrachtete.
    Sie rückte sich den gepolsterten Hocker zurecht, setzte sich und sah in ihre Noten. Sie hatte Mozart gewählt, eine kleine Sonate, die Mrs. Chrestles Gemüt vermutlich nicht allzu sehr aufwühlen würde. Sachte begann sie zu spielen, spürte dem kräftigen Klang des großen Instruments nach, richtete ihren Anschlag darauf ein und versank nach und nach in der Musik.
    Sie war nicht ganz mit sich zufrieden, als sie das Stück beendete, denn es hatte die Leichtigkeit gefehlt, die sich sonst in dieser Komposition einstellte. Unsicher blickte sie zu Mrs. Chrestle hinüber und entdeckte, dass sie mit zurückgelehntem Kopf und halbgeschlossenen Augen gelauscht hatte.
    „Spielen Sie bitte weiter“, sagte sie leise. „Hören Sie nicht auf.“
    Ihre Stimme klang, als käme sie aus weiter Ferne und Violet wurde es wieder unbehaglich zumute. War Mrs. Chrestle in eine ihrer melancholischen Stimmungen versunken?
    Sie wählte ein weiteres Stück aus und begann zu spielen, doch dieses Mal war es ihr nahezu unmöglich,

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