Schwarze Rosen
aller erschien auch der Leiter des gerichtsmedizinischen Instituts, Gustavo Lassotti. Er sah sehr betroffen aus, noch mehr als die anderen.
Lassotti ließ sich schon seit vielen Jahren an keinem Tatort mehr blicken. Er unterrichtete an der Universität, und wenn man ihn nicht im Hörsaal antraf, war er auf Tagungsreise oder in seinem Büro, wo er über seinen Büchern und Papieren brütete.
Er zog die Latexhandschuhe über und kniete sich hin, um die in ihrem Blut liegende Leiche Alvise Innocentis zu untersuchen. Als Erstes zog er ihm die Kapuze vom Kopf. Lassotti wollte sich gerade umdrehen und sie in eine Tüte für Beweismittel stecken, als er etwas darin bemerkte. Kaum, dass er es in den Händen hielt, zeichnete sich auf seinem Gesicht ein Ausdruck von Abscheu ab. Es war ein Foto, das die tote Giovanna Innocenti auf ihrem Bett zeigte. Lassotti gab es dem Oberstaatsanwalt.
Unterdessen hatte ein junger Carabiniere in einer nahen Ecke die Verpackung einer Einwegkamera gefunden. Kodak. Er kam heran, um den Fund dem Staatsanwalt zu zeigen, doch kaum hatte er einen Blick auf die Leiche geworfen, kippte der junge Beamte um wie ein nasser Sack. Zwei Kollegen hoben ihn hoch und führten ihn hinüber in die Villa.
Auffälligkeiten gab es zuhauf bei dieser Tat.
Die Kapuze.
Es war allseits bekannt, dass das Opfer den Freimaurern nahegestanden hatte. Was hatte dann diese Kapuze zu bedeuten? Was war die Botschaft des Täters? Wollte er deutlich machen, dass Innocenti einer Geheimloge angehört hatte?
Dann das Foto.
Es war eine Signatur. Vater, Mutter und Tochter durch dieselbe Hand gestorben.
Die Handschellen und die Kodak-Verpackung belegten, dass der Mörder nach einem rituellen Schema vorging.
Die entfernten Genitalien.
Ein überdeutlicher Hinweis darauf, dass der Tote ein Täter-Vater war, schuldig des sexuellen Missbrauchs, wie es auch in dem anonymen Brief behauptet wurde.
Nach diesem Verbrechen konnte die Möglichkeit eines Serienmörders, der seine Opfer per Zufall auswählte, endgültig ausgeschlossen werden. Aber warum die Innocentis? Was hatten sie getan, um so brutal umgebracht zu werden? Der Täter war zweifellos ein Profi.
Oder handelte es sich gar um eine Gruppe von professionellen Killern?
Als er fertig war, fuhr Lassotti mit der äußeren Untersuchung der Leiche Laura Innocentis fort, die man, auf dem Rücken liegend und mit ausgebreiteten Armen und Beinen, auf dem Küchenfußboden gefunden hatte. Eine Position, die Ferrara und Gori nicht zum ersten Mal sahen. Auf der Stirn stellte der Arzt ein kleines Einschussloch fest, doch es lag nirgends eine Patronenhülse herum. Um die Wunde war deutlich ein dunkler Ring zu sehen. Man hatte sie aus nächster Nähe erschossen, eine eiskalte Hinrichtung.
Ein Trommelrevolver, Kaliber 22, auch in diesem Fall? Wie bei der Tötung des Immigranten? War dieser Mord, der nicht ins Muster passte, aus reiner Willkür geschehen? Oder existierte doch eine Verbindung? Was konnten die Innocentis und der Immigrant gemeinsam haben?
Wo war der rote Faden?
Sollte diese Tat etwa wieder eine Herausforderung darstellen?
Zu viele Fragen und keine einzige gewisse Antwort.
Gori und Ferrara gingen hinaus in eine ruhige Ecke des Gartens, um ihre Eindrücke zu vergleichen. Ferrara erzählte dem Maresciallo bei der Gelegenheit auch von Teresas Entdeckung, dass Sara Genovese und Umberto Bartolotti sich kannten.
»Ein schönes Durcheinander, was? Was sagt Ihnen Ihr Bauchgefühl, Commissario?«, fragte Gori.
Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: »Gar nichts im Moment. Haben Sie eine Idee?«
»Vielleicht – vor allem, wenn ich daran denke, was Sie über die Genovese herausgefunden haben. Kurz bevor Ihre Kollegin sie gestern Mittag gesehen hat, war sie bei mir gewesen. Ich hatte sie vernommen.«
Er berichtete dem Commissario, was er entdeckt hatte und was er daraus schloss.
Derweil setzte das Team von der Spurensicherung seine Arbeit unter dem aufmerksamen Blick des Oberstaatsanwaltes Luca Fiore fort.
Bisher war noch kein Reporter in Sicht, aber Ferrara wettete, dass der Doppelmord an dem Ehepaar Innocenti in Kürze die Fernsehbildschirme füllen und enormes Aufsehen erregen würde. Florenz würde wieder Negativschlagzeilen machen, wie zu den Zeiten des »Monsters«.
Ferrara wettete außerdem, dass auch die Auslandspresse diesmal ihre Korrespondenten herschicken würde. Und dass es weitere Komplikationen geben würde, was geradezu unvermeidlich war, wenn es um
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