Schwarze Rosen
Maul!«
Sie verließen die Küche.
Innocenti spürte den Revolverlauf, der so fest in seinen Rücken drückte, dass es wehtat. Nach wenigen Schritten waren sie im Garten, der vollständig im Dunkeln lag.
116
Sie kamen zu einem großen Nebengebäude, das als Geräteschuppen und Weinlager genutzt wurde.
Drinnen herrschte der Geruch des Weins in den Fässern vor. Auf der einen Seite standen Traubenpressen aus rostfreiem Stahl und Gärbottiche, die nicht mehr benutzt wurden, seit man die Kelterei ganz auf das Gut in Pontassieve verlagert hatte. An der gegenüberliegenden Wand waren versandbereite Kisten mit Flaschen aufgestapelt.
Alvise Innocenti wurde gegen ein Fass gestoßen. »Was hast du mit mir vor?«, murmelte er voller Angst.
»Dreh dich um!«
Jetzt standen sie sich Auge in Auge gegenüber.
»Kannst du es dir immer noch nicht vorstellen? Denkst du tatsächlich, ich will dein Geld? Ich brauche kein Geld, deshalb bin ich nicht gekommen. Ich will dich abmurksen, du Stück Scheiße. Du hast mein Leben zerstört. Und nicht nur meines … War es hier, wo du deiner Tochter unter den Rock gegriffen hast?«
»Wer hat dir das erzählt?«
»Ist das noch wichtig, du Schwein? Was interessiert es dich überhaupt? Ich habe viele Jahre Nachforschungen angestellt und war sehr gut darin. Ich weiß alles über dich. Deine Tochter ist durch deine Schuld zweimal zum Opfer geworden: Du hast sie vergewaltigt, und ich habe sie getötet, um mich an dir zu rächen. Denk in den paar Minuten, die dir noch bleiben, mal darüber nach, wie viel sie gelitten hat. Ihr Ende war im Grunde eine Erlösung für sie. Und du wirst jetzt auch für das bezahlen, was du ihr angetan hast. Ich kenne keine Gnade.«
Der Mann mit der Kapuze wechselte den Revolver in die rechte Hand und holte mit der linken ein Messer aus seiner Jacke hervor.
»Nein …!«
Er stieß es Innocenti fast bis zum Heft in den Bauch und zog es dann ganz langsam wieder heraus. »Das ist erst der Anfang«, flüsterte er und sah ihm in die entsetzten Augen.
Alvise Innocenti knirschte mit den Zähnen und sackte nach vorn. Dabei stieß er schwache Röchellaute aus. Gleich darauf trafen ihn weitere Messerstiche, die mit Kraft und Wut ausgeführt wurden, wieder und wieder.
Innocenti schloss die Augen. Seine Gedanken waren ein Wirbelwind aus Furcht und Erinnerungen. Bald würden sie ihn verlassen, für immer.
Unscharf wie alte Fotografien sah der Kapuzenträger dagegen im Geiste die Akte sexueller Gewalt vor sich, die seine Stiefschwester erlitten hatte. Als Alvise Innocenti schließlich tödlich verletzt auf dem Boden zusammenbrach, kamen noch ein letztes, unverständliches Murmeln und ein leiser Seufzer über seine Lippen. Dann ging der Mann mit der Kapuze in die Hocke und fühlte Innocentis Puls. Nichts.
Alvise Innocenti war tot. Er hatte die Augen vor Grauen weit aufgerissen.
Der Mörder holte ein Skalpell aus der Tasche, streifte dem Toten die Hose herunter und schnitt ihm geschickt die Genitalien ab, wobei der Blutgeruch ihm heftig in die Nasestieg. Anschließend nahm er aus einer anderen Tasche eine schwarze Kapuze und zog sie seinem Opfer über den Kopf. Eine symbolische Tat, die ihn teuer zu stehen kommen konnte, aber das kümmerte ihn nicht mehr. Er hatte sein einziges Ziel im Leben erreicht, er hatte vollbracht, wovon er lange geträumt hatte. Außerdem war ihm dieser Commissario, den die anderen so hassten, in gewisser Weise sympathisch geworden. Und falls der Mann intelligent genug war, konnte er ihm am Ende vielleicht das Leben retten.
Ehe er ging, schoss er noch ein paar Fotos. Dann kehrte er in die Küche zurück.
Laura Innocenti lag noch bewusstlos auf dem Boden. Er hielt ihr den Revolver an den Kopf, spannte den Hahn und drückte ab.
Jetzt war seine Mission endgültig erfüllt. Oder beinahe. Bald würde er richtig zu leben anfangen. Er verließ die Villa, um sich ein paar Stunden auszuruhen. Später würde er sich auf den Weg machen müssen.
Die Reise durfte nicht länger aufgeschoben werden.
117
SAMSTAG, 3. JULI
Kurz nach acht Uhr morgens wimmelte es in der Villa Innocenti von Polizisten, Carabinieri, Staatsanwälten und Kriminaltechnikern: etwa zwanzig Personen, und alle waren sichtlich angespannt. Die Atmosphäre hatte etwas geradezu Unwirkliches. Ferrara und Gori, die beinahe gleichzeitig eingetroffen waren, wechselten einen sorgenvollen Blick.
Der Oberstaatsanwalt und Vinci verfolgten die Arbeiten am Tatort mit Argusaugen.
Zur Verwunderung
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