Schwarze Rosen
diversen Aktivitäten waren von Commissario Luigi Ciuffi koordiniert worden, dem Leiter des Drogendezernats, einem von Ferrara sehr geschätzten Kollegen, der sich bei der Arbeit nicht schonte und langsam, aber ausgesprochen gewissenhaft und methodisch vorging. Außerdem verfügte Ciuffi über eine Tugend, die bei einem jungen Commissario nur noch selten anzutreffen war: Er stand immer zur Verfügung, Tag und Nacht, einschließlich der Feiertage.
Ciuffi hatte angesichts der Tatumstände auch ein paar Polizisten eingesetzt, die im Milieu undercover arbeiteten unddirekten Kontakt zu Straftätern hatten, vor allem zu Drogenhändlern. Eine besonders gefährliche Aufgabe, umso mehr, wenn sie sich in eine gut funktionierende kriminelle Organisation einschleusten, doch die Kollegen wussten diese Rolle mit Umsicht und Kaltblütigkeit auszufüllen.
So herrschte in den Fluren und Zimmern der Squadra Mobile an diesem Morgen ein ständiges Kommen und Gehen. Telefone klingelten, und Drucker ratterten ohne Unterlass.
Die »Ausbeute« dieser Nacht war beträchtlich: Prostituierte, Zuhälter, Dealer, illegale Straßenhändler, Migranten ohne Papiere. Alles Leute, die etwas zu verbergen hatten und denen man daher leicht Informationen abpressen konnte, indem man ihnen mehr oder weniger explizit damit drohte, die Nase etwas tiefer in ihre Angelegenheiten zu stecken. Auch der berüchtigte »Käfig« musste hinzugenommen werden, ein großer Raum im Erdgeschoss des Präsidiums, weitab von den Bereichen mit Publikumsverkehr, in dem Festgenommene gewöhnlich verwahrt wurden, bevor man sie ins Gefängnis beziehungsweise in ein Auffangzentrum brachte. Viele der Insassen hatten sich mehr schlecht als recht auf dem Fußboden ausgestreckt, schliefen halb und waren übelster Laune.
Draußen standen zwei Reisebusse der Polizei, mit denen die auszuweisenden Illegalen zu den Häfen von Ancona und Bari oder zum römischen Flughafen Leonardo da Vinci transportiert werden würden. Auf dem Bürgersteig davor warteten ein paar Fotografen und hielten sich bereit, die Festgenommenen zu verewigen, wenn sie im Gänsemarsch herauskamen und man sie in die Fahrzeuge steigen ließ.
Es war eine Großrazzia gewesen, eine Maßnahme, mit der man den Bürgern der Stadt eine größere Sicherheit hätte garantieren können, wenn es möglich gewesen wäre, sie regelmäßig durchzuführen. Doch so etwas fand nur bei besonders alarmierenden Vorfällen statt, denn es war schwierig, Personal aus anderen Abteilungen dafür zu beschaffen, und noch schwieriger, die Bezahlung der Überstunden sicherzustellen. Der Polizeipräsident selbst predigte seinen Dezernatsleitern jeden zweiten Morgen, dass sie Zusatzarbeit und Einsätze außerhalb der Stadt ob der neuerlichen Budgetkürzungen stark einschränken sollten, was dazu führte, dass sie sich immer mehr in erbsenzählerische Buchhalter verwandelten.
Mittlerweile war es fast neun, und Ciuffi und seine Mitarbeiter, unterstützt von den Kollegen des Einwanderungsbüros, die jetzt ebenfalls recht erschöpft wirkten, schlossen die Vernehmungen der festgenommenen Personen allmählich ab. Immer noch hofften sie darauf, jemandem einen kleinen Hinweis zu entlocken, der es ihnen ermöglichen würde, dem Mörder und dem Opfer einen Namen zu geben. Doch bislang wusste man noch gar nichts über den jungen Toten, und es hatte sich niemand gemeldet, um ihn zu identifizieren. Es war, als interessierte sich kein Mensch für den jungen Mann.
Auch Teresa Micalizi war in ihrem Büro noch mit Verhören beschäftigt.
Zu Beginn der Aktion hatte sie zu Ciuffi bemerkt: »Ich bin davon überzeugt, dass die eine oder andere Zeugin mit mir unbefangener sprechen wird, so von Frau zu Frau.« Doch jetzt, nach so vielen Stunden und Gesprächen, musste sie sich eingestehen, dass sie nur sehr unwahrscheinliche Geschichten und einige dramatische Einzelheiten zu hören bekommen hatte, die aus einem alten Schauerroman zu stammen schienen. Nichts als Lügen. Diese Frauen sind einfach zu verängstigt, aus denen ist nichts rauszukriegen, dachte sie entmutigt.
Der Commissario kam um halb zehn und ging auf seinem Weg durch die Flure auch an ihrem Büro vorbei.
Die Tür war nur angelehnt, also spähte er hinein. Teresa saß neben einem schlanken, blonden, sehr hellhäutigen Mädchen und sprach ruhig mit ihm. Das Mädchen trug einen schwarzen, äußerst kurzen Minirock und ein knappes Top, das den Bauchnabel frei ließ. Dazu kniehohe schwarze Lackstiefel mit
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