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Schwarze Rosen

Schwarze Rosen

Titel: Schwarze Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Giuttari
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nehmen?
    73
    »Hier ist La Nazione , was kann ich für Sie tun?«, meldete sich eine Frauenstimme nach mehrmaligem Klingeln.
    Der Mann hielt ein Aufnahmegerät mit einer darin befindlichen Mikrokassette an die Sprechmuschel. Er drückte auf Play. Eine metallisch klingende Stimme verkündete:
    Ich spreche im Namen der LCS. Wir haben den Kerl mit markierten Kugeln hingerichtet. Sagen Sie der Polizei, dass wir uns in Zukunft um die Sicherheit in der Stadt kümmern werden, wenn sie es nicht tut!
    Dann erklangen ein Klacken und das Freizeichen. Der Anrufer hatte aufgelegt. Die Telefonistin in der Zentrale blickte auf das Display, doch die Nummer, von der der Anruf ausgegangen war, wurde nicht angezeigt.
    Unterdessen ging der Mann von der Telefonzelle auf den Parkplatz an der nahen Piazza zu, um sein Auto zu holen.
    Er hatte Gleiches mit Gleichem vergolten.
    Zum richtigen Zeitpunkt.
    74
    Bei dem Opfer waren keinerlei Papiere gefunden worden, und auch das automatische System zur Erkennung von Fingerabdrücken, AFIS, hatte keinen Treffer ergeben. Der Mann gehörte offenbar nicht zu der ständig wachsenden Schar von illegalen Einwanderern, die bei Polizeikontrollen jedes Mal einen anderen falschen Namen angaben, um ihre Identität zu verschleiern, sodass diese höchstens über ihre jeweilige Botschaft zu erfahren war.
    Ein Alias anzugeben war ein weit verbreiteter Trick unter den illegalen Einwanderern, was einmal mehr die Wirkungslosigkeit des im Juli 2002 erlassenen Einwanderungsgesetzes belegte. Ziel des Gesetzgebers war es gewesen, der ungesetzmäßigen Einwanderung einen Riegel vorzuschieben, doch in der Praxis garantierte der Erlass keineswegs eine Rückkehr der Migranten in ihre Heimatländer. Die Illegalen wurden zwar in die Auffangzentren gebracht und dort bis zu sechzig Tage lang festgehalten; außerdem wurden sie bei Fehlen eines gültigen Ausweises per Präfekturbeschluss aufgefordert, das Land innerhalb von fünf Tagen zu verlassen, doch tatsächlich geschah das nur in den seltensten Fällen. Bei der nächsten Kontrolle gaben sie einfach einen anderen falschen Namen an und so weiter. Ein Teufelskreis ohne Ausweg.
    Das Opfer war also ein unbeschriebenes Blatt, vielleicht erst seit ein paar Tagen oder wenigen Stunden in der Stadt.
    Bei der äußerlichen Untersuchung der Leiche wurden drei Einschusslöcher festgestellt, die mit einiger Sicherheit von einem Revolver hervorgerufen worden waren. Ihr Durchmesser ließ auf Patronen von kleinem Kaliber schließen.
    Ein scheinbar unerklärlicher Mord, doch der Staatsanwalt vermutete bereits ein bestimmtes Motiv: eine Abrechnung zwischen organisierten Banden von illegalen Straßenhändlern oder Drogendealern.
    Einige frühere Zusammenstöße, wenn auch weniger schwerwiegend, schienen seine Vermutung zu stützen.
    75
    MONTAG, 28. JUNI
    Acht Uhr morgens, und im Fernsehen liefen Bilder von Florenz.
    Es war die Nachrichtensendung auf Canale 5.
    Zuerst ein Panoramaschwenk über die Stadt.
    Dann die Ponte Vecchio.
    Auf dem Pflaster war noch gut der weiße Kreideumriss um das Opfer zu sehen, den die Spurensicherung zurückgelassen hatte.
    Die Stimme des Berichterstatters vermeldete: »Ein Mord mitten im Herzen von Florenz.«
    Der Commissario, der noch im Bett lag, setzte sich auf, stellte den Ton lauter und verfolgte den gesamten Bericht. Er dauerte etwas länger als zwei Minuten, was viel war fürdie landesweiten Fernsehnachrichten. Gegen Ende gab es eine kurze Erklärung des Polizeipräsidenten. Adinolfi stand in seinem Büro neben der italienischen Flagge und der der Europäischen Union und forderte mögliche Zeugen auf, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, wobei er ihnen im gleichen Atemzug Anonymität zusicherte.
    Zum Schluss berichtete der Reporter noch knapp von einem weiteren Mord, der in einer entwidmeten Kirche in der ländlichen Umgebung von Florenz verübt worden war.
    Ferrara schaltete den Fernseher aus und stand auf.
    Seine Mitarbeiter waren in der Nacht nicht untätig geblieben.
    Die einen hatten die Anwohner um die Ponte Vecchio herum befragt, andere hatten erste Durchsuchungen an den Orten durchgeführt, an denen Illegale häufig Zuflucht fanden, wieder andere hatten ihre vertraulichen Quellen sensibilisiert, in der Hoffnung, dass der richtige Tipp dabei heraussprang. Keiner hatte geschlafen, und alle waren erschöpft; sie hatten Ringe unter den Augen und belegte Zungen von zu viel Kaffee. Manche waren seit über vierundzwanzig Stunden nicht zu Hause gewesen.
    Die

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