Schwarze Rosen
keine anderen gefunden worden«, erklärte der Commissario.
»Dann sind eventuelle Fehlschüsse wohl im Arno gelandet«, bemerkte Adinolfi sarkastisch. »Informieren Sie mich bitte sofort über das Ergebnis der Autopsie! Ich muss den Chef in Rom auf dem Laufenden halten, und dann … Sie wissen, worauf ich hinauswill?« Er stockte, während der Commissario ihn unverwandt ansah. »Sollte diese Sache sich bestätigen, wird sich notwendigerweise das Sondereinsatzdezernat DIGOS in die Untersuchung einschalten. Hinter diesem Tötungsdelikt könnte ein politisches Motiv stecken, möglicherweise ein rassistisches, auch wenn das Kürzel LCS in dieser Dienststelle nicht bekannt ist«, fuhr der Präsident fort, der anscheinend schon eigene Nachforschungen betrieben hatte.
»Ich bin gern bereit, mit dem DIGOS zusammenzuarbeiten«, bemerkte Ferrara, ohne sich weiter dazu zu äußern.
»Apropos, Dottore, sagt Ihnen dieses Akronym etwas?«
Der Commissario dachte nach und antwortete dann mit einem knappen »Nein«.
»Es könnte sich um eine neue Gruppierung handeln, zum Beispiel ›Lotta Contro gli Stranieri‹, Kampf gegen Ausländer«, mutmaßte Adinolfi, aber Ferrara ging nicht darauf ein.
»Haben Sie schon bestimmte Anhaltspunkte, die Sie verfolgen?«, fragte der Präsident weiter. »Ich gehe mal davonaus – bei den vielen Dienststunden, die hier zusammenkommen«, schob er spitz hinterher.
»Noch keine konkreten im Moment, doch unsere Mitarbeiter gehen jeder Möglichkeit nach, wie immer.«
»Dottore, Sie kommen mir nicht sehr optimistisch vor!«
»Wie soll man bei einem so vertrackten Fall optimistisch sein? Man weiß nichts über das Opfer, und Zeugen gibt es bislang auch keine, obwohl um diese Zeit noch viele Leute in der Nähe der Brücke unterwegs waren.«
»Dann lassen Sie weiterfahnden! Machen Sie Ihren Leuten Feuer unter den Hintern! Früher oder später muss sich jemand melden. Ich habe im Fernsehen einen Appell an die Bevölkerung gerichtet, ich weiß nicht, ob Sie Gelegenheit hatten, mich zu sehen …«
Ferrara nickte. »Doch, doch.«
»Und es hat noch niemand angerufen? Nicht einmal ein Verwandter?«
»Bisher waren es nur wenige Anrufe, denen wir nachgehen, aber ich glaube nicht, dass etwas Verlässliches darunter ist.«
»Wie kann das sein, dass niemand etwas gesehen oder gehört hat? Das hier ist die Wiege der Kultur, der Kunst, die Hauptstadt der Renaissance … Die Leute können doch nicht einfach wegsehen und schweigen!«
»Wenn es um einen Mord wie diesen geht, sind alle Städte gleich. Die Leute haben Angst, und die Angst macht sie stumm. Leider hält man sich auch in Florenz an das Motto, dass sich jeder um seinen eigenen Kram kümmern soll.«
»Irgendein Tipp von den Informanten auf der Straße?«
»Keiner bis jetzt, aber sie bleiben dran und hören sich um. Gut möglich, dass von dort noch ein Hinweis kommt, der uns auf die richtige Spur führt.«
Adinolfi erhob sich und sagte zum Abschied: »Ich lasse Ihnen den Brief da. Sie sollten wissen, dass ich den Chefredakteur darum ersucht habe, höchste Zurückhaltung zu wahren. Viel Erfolg!« Gemessenen Schrittes verließ er das Büro.
Seine Schultern hingen noch mehr herab als zuvor, zumindest kam es dem Commissario so vor.
77
Teresa Micalizi klopfte an Ciuffis Tür.
»Komm rein, Teresa!«
»Wir haben vielleicht etwas.«
»Lass hören!«
Die Polizistin setzte sich und berichtete aufgeregt: »Ich habe gerade ein russisches Mädchen vernommen, dem ein Job in der Modeindustrie hier in Italien versprochen wurde. Übrigens sieht sie wirklich aus wie ein Model. Sie ist noch in meinem Büro, in einem ziemlich erbarmungswürdigen Zustand.«
Ciuffi schüttelte den Kopf. Das war nichts Neues für ihn. Er dachte an all die jungen Frauen, manche davon noch minderjährig, die im Laufe der Jahre durch sein Büro gewandert waren. An ihre von Weinen unterbrochenen Geschichten, ihre geplatzten Träume. Er war sogar einem ausgemachten organisierten Menschenhandel auf die Spur gekommen. Und das im dritten Jahrtausend! In Florenz, der Stadt der Kultur. Ein regelrechter Handel mit Frauen, von denen viele ihre Familien nie wiedersahen.
»Ich konnte sie überreden, uns zu helfen«, fuhr die Polizistin fort, »aber sie hat Angst um ihr Leben und um das ihrer Familie in Moskau.«
»Was hat sie dir genau gesagt?«
»Sie kennt einen der Bosse der illegalen Händler, die immer auf der Ponte Vecchio sind. Er ist zugleich ein Drogendealer. Vor Kurzem hat sie
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