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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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Sixtinischen Kapelle gut gemacht. Sie war ein einziges Getümmel aus pummeligen Cheruben, nackten Nymphen mit rabenschwarzem Haar und tänzelnden Hengsten, die sich mit prächtigen Löwen balgten. Wobei ich natürlich eigentlich nicht mit der Taschenlampe herumleuchten und schon gar nicht wertvolle Zeit verschwenden sollte, aber ganz ehrlich, ich konnte einfach nicht anders. Noch nie in meinem Leben hatte ich so etwas gesehen, weshalb ich mir ein bisschen offenmündiges Staunen gestattete.
    Ein bisschen, aber nicht zu viel, und nach nicht mal einer Minute riss ich mich zusammen, hob meine heruntergeklappte Kinnlade nebst Aktenkoffer wieder vom Boden auf und steuerte geradewegs auf das Herz des Raums mit der umlaufenden Empore zu. Ich passierte eine schmale steile Holztreppe, die zu den oberen Stockwerken des Palazzo führte, und eine etwas breitere Steintreppe, über die man zu den darunter liegenden Kellerräumen gelangte. Ich spitzte die Ohren und lauschte auf einen Hinweis, dass der Mann und die Frau, die nach der Ursache des Stromausfalls fahndeten, wieder zurückkamen, hörte aber keinen Ton. Zwar beeinträchtigte die Skimaske meine Wahrnehmung etwas, aber doch nicht so sehr, dass ich etwaige verdächtige Geräusche überhört hätte.
    Vor den Panoramafenstern, jenseits zweier gepolsterter Sitzbänke und einer glänzend lackierten Anrichte, hingen schlichte Stores, seitlich zurückgebunden, damit sie den herrlichen Ausblick nicht versperrten. Ich schlich mich heran, so nahe ich es wagte, schaltete das Stiftlämpchen aus und gestattete mir einen raschen Blick auf das weite lampenbeschienene Wasser dort unten. Ein einsames vaporetto brummte mit schäumender Bugwelle durch das nieselige, milchig-verschwommene Licht an den Bootsseiten, während es diagonal auf die Haltestelle Rialto Mercato zusteuerte, gleich neben der Anlegestelle der traghetti . Links lag der leere Fischmarkt im Dunkeln, und ich konnte die zurückgesetzten Fenster des Restaurants ausmachen, in dem Victoria und ich vorhin gegessen hatten.
    Schließlich riss ich mich los und entdeckte schnell die stattliche Tür aus glänzend poliertem Nussbaumholz und war so frei, einfach frech hindurchzumarschieren. Sie führte in einen etwas kleineren Raum mit dunkler Holzvertäfelung. Der Strahl meiner Taschenlampe fiel auf einen Stuhl mit leiterähnlicher Rückenlehne, einen Orientteppich und einen Marmorkamin, eingefasst mit Muranoglasfliesen. Eine doppelflügelige Glastür führte nach draußen auf den Balkon.
    Ich stellte den Aktenkoffer auf den Stuhl und tastete mich an der Holzvertäfelung der rückwärtigen Wand entlang. Ungefähr nach einem Drittel des Weges entdeckte ich den Ansatz eines Spalts, dem ich bis auf Hüfthöhe folgte, um dann mit der Hand nach dem Holzpaneel rechts davon zu tasten. Ich legte die flache Hand auf das Holz und drückte fest dagegen. Es gab nach, ich hörte ein sattes Klacken, und zu meiner Linken schwang eine versteckte Tür auf.
    Die schob ich zurück, bis ich vor einer gewaltigen glänzenden Stahlplatte mit einem Metallrad in der Mitte stand. Oberhalb des Rads befand sich ein elektronisches Tastenfeld. Ich schob die Skimaske auf der einen Seite nach oben und legte das Ohr aufs kalte Metall, dann ballte ich die linke Hand zur Faust und klopfte zweimal dagegen. Nicht mal das leiseste Echo war zu vernehmen. Was bedeutete, dass die Tür massiv war – fünfzehn Zentimeter Stahl, mindestens. Wobei mich das eigentlich nicht zu interessieren brauchte, schließlich hatte ich nicht vor, das Ding mit einem Laser anzugehen, und doch fand ich die Vorstellung faszinierend.
    Dann griff ich nach meinen Anweisungen und blätterte beim Schein der Taschenlampe die handbeschriebenen Seiten durch, bis ich den Abschnitt gefunden hatte, den ich suchte. Die Zahlenkombination bestand aus neun Ziffern und war am linken Rand eines Briefpapierbogens notiert. Ehrlich gesagt war ich etwas angesäuert, wie präzise alles vorbereitet war, als könne ich andernfalls Gefahr laufen, die dümmsten Anfängerfehler zu begehen und alles zu vermasseln. Aber da es ziemlich zeitaufwendig gewesen wäre, den Code selbst zu knacken, schluckte ich meinen Stolz herunter und beschloss, nicht die beleidigte Leberwurst zu spielen.
    Ich nahm die Tastatur ins Visier, ließ den Kopf auf den Schultern kreisen und begann dann, mit ausgestrecktem Zeigefinger sorgfältig den neunstelligen Code einzugeben. Nach der Hälfte der Ziffern wurde ich von einem plötzlichen Summen und

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