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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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schwarzen Wassers hinter dem großen schmiedeeisernen Eingangstor ausmachen.
    Ich ging wieder zurück und machte mich auf die Suche nach der Tür, für die ich mich interessierte. Sie war aus grünem, genietetem Metall, mit Gummiumrandung und einem blauen Schild, auf dem in weißer Schrift Cabina Elletrica zu lesen stand. Und sie war nicht abgeschlossen. Also stemmte ich sie kurzerhand auf und ließ das Licht meiner Taschenlampe über den Sicherungskasten und die Gefahrenwarnschilder regnen, die ich dort vorfand. Gut, es stimmt, ich halte nicht viel von den ganzen High-Tech-Spielereien, wie man sie oft in Gaunerkomödien sieht, aber selbst ohne meine handschriftlichen Anweisungen hätte ich wohl einen Blick auf das heillose Durcheinander aus Kabeln, Schalttafeln und Schalter werfen können und hätte doch schnell herausgefunden, dass der riesengroße Hebel mit dem knallroten Griff irgendwie wichtig sein musste. Entschlossen packte ich das Ding und schaute auf die Uhr: 23.40 Uhr.
    »Okay, Charlie«, flüsterte ich in die Dunkelheit, »du hast genau zehn Minuten Zeit für den Test. Die Zeit läuft jetzt. «
    Und damit legte ich den Schalter um, und zu meiner gewaltigen Enttäuschung gab es keine entsprechenden eindrucksvollen Soundeffekte wie Zischen oder Knistern, als schlagartig in dem gesamten Anwesen der Strom ausfiel. Man sah allerdings, dass das Licht in den Fenstern oberhalb des Innenhofs nicht mehr brannte, und es dauerte keine Minute, als Stimmen – ein missmutig brummender Mann und eine nörgelnde Frau – aus Richtung der Treppe zu hören waren, die genau zu der Stelle führte, an der ich eben noch gestanden hatte. Hastig rannte ich über die Freitreppe nach oben zu der gewaltigen Tür, den Koffer in der Hand, fiel auf dem nassen Boden auf die Knie und begutachtete das Schloss.
    Es war ein altmodisches Buntbartschloss, und das Schlüsselloch war so groß, ich hätte fast durchkrabbeln können, hätte ich mich beim Abendessen nicht so vollgestopft. Ich fummelte den Schlüsselbund mit den Generalschlüsseln heraus, schob die Skimaske bis zur Nase hoch, steckte mir die kleine Taschenlampe in den Mund und machte mich an die Arbeit. Und alle Bescheidenheit mal beiseite, ich glaube ehrlich nicht, dass das noch schneller hätte gehen können. Gleich der dritte Schlüssel, mit dem ich es versuchte, passte, und das Schloss ließ sich so leicht öffnen, wie es das wohl schon in den vielen hundert Jahren getan hatte, seit dieses Haus gebaut worden war. So leicht, dass ich schon fast wieder auf den Füßen war, ehe Kälte und Feuchtigkeit meine Kniescheiben erreicht hatten.
    Ich drehte mich um und warf einen Blick über die Schulter nach hinten, aber da war nichts als Regen und Dunkelheit und Stille. Seltsam. Bisher lief alles ganz gut, und trotzdem konnte ich dieses ungute Gefühl düsterer Vorahnung nicht abstreifen. Am liebsten hätte ich mir gesagt, das müsse an Venedig liegen – an der eigentümlichen Art, wie die Atmosphäre dieser Stadt einem unbeleuchteten Kanal, einer verlassenen Straße oder dem Echo der eigenen Schritte eine Aura drohender Gefahr verlieh. Doch sosehr ich mich auch bemühte, ich fürchtete, es könne noch mehr dahinterstecken, und als ich meine Skimaske herunterzog, die mächtige Tür aufdrückte und eintrat, konnte ich mich der Frage nicht erwehren, ob ich womöglich gerade einen schrecklichen Fehler machte.

Elf
     
    Selbst im schwachen Schein der Taschenlampe war das Innere des Hauses mehr als sehenswert. Dank Graziellas handschriftlichen Anweisungen wusste ich, dass die Tür direkt ins portego führte – ein Voroder Empfangszimmer, das in einen T-förmigen Raum mit Blick auf den Balkon und den Canal Grande dahinter mündete. Ihre Anweisungen hatten mich jedoch nicht darauf vorbereitet, wie beeindruckend und reich verziert dieser »Vorraum« war.
    Um es kurz zu machen, allein die Ausmaße waren überwältigend. Der Terrazzoboden war eine atemberaubende Mischung aus verschiedenfarbigen Steinen, Perlmuttstückchen und geschliffenen Glasscherben, die im Licht meiner Taschenlampe einen reizvollen Schimmer entfalteten. Eine ganze Wand war mit schwerer roter Seide und Goldbrokat bespannt, und an der Wand gegenüber hingen etliche großformatige Ölgemälde bärtiger, götterähnlicher Gestalten. Zwischen den Bildern lenkte kunstvoll verzierter Stuck meinen Blick nach oben, zur wahrscheinlich größten Augenweide im ganzen Haus.
    Die gewölbte, freskenbemalte Decke hätte sich auch in der

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