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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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schlüpfrigen Gitterwerk des Tors empor, bis ich auf einer Höhe mit der Überwachungskamera war. Die Linse war direkt auf mich gerichtet, doch sie sollte mich nicht lange sehen. Kurzentschlossen zog ich die Fäustlinge aus und streifte einen davon als provisorischen Objektivdeckel darüber. Meinen Anleitungen zufolge gab es hier keinen Wachmann, der rund um die Uhr mit wachsamem Adlerauge vor einer Wand voller
    Überwachungsmonitore saß. Nein, die Bilder der Kameras wurden schlicht und ergreifend aufgezeichnet. Was mir nur recht sein konnte, und meiner kleinen italienischen Freundin genauso. Ihr Plan sah vor, dass ich den Koffer zurückbrachte, ohne mich schnappen zu lassen, und gleichzeitig genügend Beweise hinterließ, um den genauen Zeitpunkt bestimmen zu können, an dem die schändliche Tat begangen wurde – sodass sie selbst aus dem Schneider war, falls je die Frage aufkommen sollte, ob sie etwas damit zu tun hatte, da sie selbst zum fraglichen Zeitpunkt die Gesellschaft des Grafen Borelli im ältesten und, wie manche behaupten würden, vornehmsten Casino Europas genoss.
    Zweiter Schritt: Ich ließ mich vom Tor auf den Boden plumpsen und nahm den magnetischen Alarmsensor unter die Lupe. Himmel . Langsam beschlich mich der Verdacht, ich sollte hier in der Stadt eine Firma gründen, die moderne Alarmanlagen und Überwachungssysteme vertrieb, denn wenn das überall so aussah wie hier, würde ich mir damit eine goldene Nase verdienen. Die Alarmanlage war so ungefähr das Simpelste, was man sich überhaupt vorstellen konnte – mal abgesehen von einer Schnur mit Dosen an der Tür –, und nachdem ich die entsprechenden Utensilien aus dem Brillenetui gekramt hatte, hatte ich das Ding schneller ausgeschaltet, als es dauert, das zu erzählen.
    Dritter Schritt: Ich bewaffnete mich mit dem stabilsten Haken, den ich in meinem Arsenal hatte, und begann, an dem Schloss herumzuspielen. Was sich als schwieriger denn erwartet erwies. Wobei die Temperaturen auch nicht gerade halfen. Ja, langsam kroch die Kälte durch die Gummihandschuhe, aber wie mir schien, war auch der Schließmechanismus ein wenig eingefroren. Also suchte ich in meiner Tasche nach der Zigarettenschachtel und angelte das Feuerzeug heraus. Das zündete ich an und hielt dann die Flamme an das Schlüsselloch, während ich langsam bis zehn zählte. Bei acht unterbrach ich mich abrupt, als ich merkte, dass mein Handschuh zu schmelzen begann, und stocherte dann abermals in dem Schloss herum. Zum Glück gab das Ding schließlich nach und öffnete sich mit einem satten Klack , und ich konnte mir endlich den Aktenkoffer schnappen und aus dem gleißenden Licht der Lampe flüchten wie eine Kellerassel vor dem Tageslicht.
    Der Garten bestand hauptsächlich aus einem durchweichten Rasenteppich ohne erkennbare Wege. Ich ließ mir Zeit beim Überqueren des rutschigen Grüns und achtete genauestens auf unerwartet auftauchende Abhänge oder Fischteiche. Die Fußspuren, die ich im matschigen Gras hinterließ, freuten mich zwar nicht gerade, aber sie bereiteten mir auch kein übermäßiges Kopfzerbrechen. Es war viel zu dunkel, um sie vom Haus aus erkennen zu können, und selbst wenn sie am nächsten Morgen noch zu sehen sein sollten und ein gerissener Polizeikommissar den Abdruck meiner Turnschuhe in Gips gießen würde, konnte ich mir doch nur schwer vorstellen, wie man mir daraus einen Strick drehen sollte. Schließlich lebten in Venedig sicher mehr als ein oder zwei Leute mit Schuhgröße 44.
    Auf halbem Weg durch den Garten fiel mein Blick auf eine Lücke in der Wand, und ich bahnte mir den Weg zu einem Innenhof, dessen Kopfsteinpflaster glitschig vom Regen war. Eine Statue, ein männlicher Akt, stand mit Wassertropfen besprenkelt zu meiner Linken, während genau in der Mitte des kleinen Platzes ein reich verzierter Brunnenkopf einen alten Trinkwasserbrunnen verschloss. Der Haupteingang zum Wohnbereich lag im ersten Stock, und man erreichte ihn über eine Freitreppe, die von roten Backsteinbögen getragen wurde. Oberhalb der mächtigen Holztür waren etliche erleuchtete Fenster. Unmittelbar über mir lag ein dunkler Bogengang.
    Schnell duckte ich mich unter den Bogen und knipste meine Stiftlampe an. Es roch durchdringend nach Salzwasser und Fäulnis, und ich hörte das Klatschen der Wellen. Die Steinplatten unter meinen Füßen waren mit Moos und Algen überzogen, und als ich den Strahl der Taschenlampe in die Dunkelheit richtete, konnte ich vage den Schimmer des

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