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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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Knistern in den Wänden unterbrochen, und gleich darauf war der ganze Raum mit gleißend heller Festtagsbeleuchtung angestrahlt. Mein Herz tanzte einen hektischen Jitterbug in meiner Brust, und ich sprang auf, als hätte mich jemand mit einem spitzen Stock in den Allerwertesten gestochen, bis mir aufging, dass bloß der Strom wieder eingeschaltet worden war und das Licht von dem gigantischen Kristalllüster kam, der über mir an der Decke hing. Ich wirbelte einmal um die eigene Achse und suchte sämtliche Ecken der Zimmerdecke ab. Und tatsächlich, da war wirklich eine Kamera, die vom Fenster auf mich herabschaute. Die nun abzudecken war eigentlich sinnlos – sie hatte ihren Zweck längst erfüllt. Zum Glück trug ich die Skimaske, also drehte ich der Kamera schnöde den Rücken zu, ohne ihr auch nur zuzuwinken, und widmete mich wieder der Eingabe der Zahlenkombination.
    Es dauerte nicht lange, da dudelte das Tastenfeld eine nette kleine Melodie, worauf ich meine Hand an das Metallrad legte und den Palazzo nach links steuerte. Der Schließmechanismus klickte und klackte, ein bisschen wie ein Atom-U-Boot auf etwas zu tiefer Tauchfahrt, und dann war alles still. Ich hakte einen Finger in das Rad ein, worauf die Tür mich völlig auf dem falschen Fuß erwischte, weil sie viel leichter als erwartet aufschwang und mir fröhlich gegen das Schienbein schlug.
    Winselnd und fluchend hopste ich auf einem Bein herum, dann schaute ich auf und spähte in die beleuchtete Stahlkammer, um gleich darauf in andächtig-bedröppeltes Schweigen zu verfallen. Der Tresorraum war größer als meine Küche. Er hatte einen dicken Betonboden, und Wände und Decke waren aus glänzenden Stahlplatten. Ringsum war er mit deckenhohen Metallregalen ausgestattet, und das grünliche Licht der flackernden Neonbeleuchtung verlieh ihm etwas von einem streng geheimen Forschungslabor.
    Mit staunend aufgerissenem Mund betrat ich die Welt der großen, ordentlich in Plastiktüten verpackten Geldscheine, Schmuckschatullen mit großen Klunkern von sämtlichen namhaften Juwelieren und einer Sammlung von Ölgemälden und Skizzen unzähliger Künstler, von denen selbst ich Kulturbanause schon mal gehört hatte. Mit behandschuhten Fingern fuhr ich über Geldanleihen und notariell beglaubigte Urkunden, Schaukästen voller Goldmünzen, ein Regal mit Rolex-Uhren und einen Stapel verschlossener Metallkassetten, der bedenklich wankte, als ich daran vorbeiging. An der gegenüberliegenden Wand hingen zwei antike Pistolen, die Läufe gekreuzt, und darunter stand ein wirklich schöner Porzellankrug orientalischen Ursprungs. Kurz und gut, es war wie in Aladins Höhle – mit Abstand die reichste Beute, auf die ich je gestoßen war – und es war wirklich zu ärgerlich, dass es mir ausdrücklich untersagt war, irgendwas mitgehen zu lassen.
    Ich drehte mich um und schaute die Kamera über mir mit fragend hochgezogener Augenbraue an, was irgendwie ziemlich unsinnig war in Anbetracht meiner Skimaske. Dann ging mein Blick zu dem Aktenkoffer, den ich genauso fragend anschaute. Na ja, zumindest würde er sich in dem vollgestopften Tresorraum nicht einsam fühlen, wenn ich ihn dort zurückließ. Ich könnte ihn einfach mitten in dem Raum auf den Boden stellen, wo er ungestört auf die Rückkehr seines glücklichen Besitzers warten könnte.
    Ja klar .
    Rückblickend muss ich mich eigentlich wundern, dass ich es geschafft hatte, der Versuchung so lange zu widerstehen. Beinahe vierundzwanzig Stunden lang hatte ich den Koffer in meiner Obhut gehabt, ohne ihn aufzumachen. Gut, ich hatte durchaus darüber nachgedacht. Und natürlich hatte ich mir überlegt, es könne doch wohl eigentlich nichts dabei sein, ihn tatsächlich zu öffnen. Graziella hatte behauptet, sie würde es herausfinden; ich würde meinen Hammett nie wiedersehen; es wäre mein sicheres Todesurteil. Tja, da spuckte ich doch drauf. Ich musterte den Koffer mit einem langen, eingehenden Blick. Mehreren Blicken . Er war schick. Er war teuer. Aber es war kein Zauberkoffer. Und er war auch nicht furchtbar futuristisch. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, wie um alles in der Welt sie herausfinden wollte, ob ich einen raschen Blick auf den Inhalt des Koffers, den ich für sie hinterlegen sollte, geworfen hatte oder nicht.
    Und wichtiger noch, der Aktenkoffer musste mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit etwas wirklich Außergewöhnliches beinhalten, wenn man bedachte, dass Graziella dafür sämtliche übrigen

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