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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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Aber keine Sorge, ich habe mich nicht am Anblick deines nackten Körpers geweidet – oder dem, was davon noch übrig ist. Würdest du mir jetzt bitte verraten, was um Himmels willen passiert ist?«
    »Gerne, sobald Radio Italia aufhört, aus meinem Schädel zu senden.«
    Ganz vorsichtig richtete ich mich ein wenig auf und stützte mich auf die Ellbogen, und dann lehnte ich mich mit dem Rücken gegen das Betthaupt. Ich zog mir die Decke bis über die Brust. Nicht bloß aus Schamhaftigkeit – ich war noch immer völlig durchgefroren von meinem unerwarteten Tauchgang im Canal Grande. Lord Byron wäre zutiefst enttäuscht gewesen von mir – schließlich hatte er ein Bad in der Lagune als großen Beweis der Männlichkeit angesehen.
    Stichwort Männlichkeit – mir wäre es wirklich sehr lieb gewesen, Victoria hätte mich nicht splitterfasernackt gesehen, während ich gerade mit einer massiven Unterkühlung kämpfte. Zugegeben, das war wirklich eine unbedeutende Nebensächlichkeit angesichts meines jüngst durchlebten Nahtoderlebnisses, aber es wurmte mich trotzdem.
    »Es wird dich sicher freuen, dass ich weder Polizei noch Rettungswagen gerufen habe«, platzte sie in meine Gedanken. »Weiß der Himmel, warum ich auf dich gehört habe. Du warst ja beinahe im Delirium, als du hier angekommen bist, und hast geschrien wie am Spieß. Und bis eben hast du ausgesehen wie eine Wasserleiche.«
    »Sehr charmant.«
    »Soll ich dir sagen, warum ich keine Hilfe geholt habe?«
    Dazu sagte ich nichts. Mir wollte beim besten Willen nichts einfallen, was ich darauf erwidern sollte.
    »Weil ich davon ausgehe, dass du mal wieder irgendwelche Dummheiten angestellt hast. Die Skimaske und das Einbrecherbesteck in deiner Manteltasche waren recht eindeutige Indizien.«
    Auch dazu sagte ich nichts. Ich bin nicht ganz so dumm, wie es manchmal scheint, und mir war klar, dass unser Gespräch womöglich fast ebenso explosiv und brandgefährlich verlaufen könnte wie die Bombendetonation, die ich versehentlich ausgelöst hatte.
    »Schau mal, du musst doch einsehen, dass du mir wenigstens irgendeine Erklärung geben musst.«
    Ich wand mich unbehaglich unter den Laken. »Das ist eine lange Geschichte, Vic.«
    »Das habe ich mir fast gedacht.«
    »Vielleicht heben wir uns die lieber für morgen Früh auf.«
    »Es ist schon fast morgen Früh. Und bei meinem Glück fällst du sicher gleich wieder in Ohnmacht. Also los, raus mit der Sprache.«
    »Du willst es also wirklich hören?«
    »Und wie.«
    Also erzählte ich Victoria alles. Na ja, nicht restlos alles. Meine wüsten erotischen Träume beispielsweise ließ ich lieber unerwähnt – aber davon abgesehen war ich vollkommen ehrlich. Eine halbe Stunde lang erzählte ich stockend und atemlos, ohne Unterbrechung und ohne Zwischenfragen. Wäre ich in der Kirche gewesen, mein Geständnis hätte glatt als Beichte durchgehen können. Vielleicht war es ja auch so was Ähnliches – eine Beichte, wie dämlich ich mich mal wieder angestellt hatte.
    Und was geschah dann? Na ja, Victoria marschierte einfach wortlos aus dem Zimmer. Sie sagte kein Wort und schaute mich nicht mal an. Ich rief ihr nach, aber um ganz ehrlich zu sein, fehlte es mir am nötigen Nachdruck. Ich gab mir redlich Mühe, aber mein Hals machte einfach nicht mit – er fühlte sich immer noch an wie mit einer Zementtrockenmischung ausgekleidet.
    Schlapp ließ ich mich zwischen die Laken sinken und stöhnte mitleiderregend, während ich, so gut es ging, darauf lauschte, wie Victoria in ihrem Zimmer herumwuselte. Es waren nicht gerade vielversprechende Geräusche, die sie machte. Entschlossen lief sie hin und her, man hörte sie schnauben, und dann das unverwechselbare Schnurren eines Reißverschlusses. Man brauchte kein Genie sein, um sich zusammenzureimen, dass sie gerade ihre Sachen packte – das bekam selbst ich hin.
    »Victoria«, rief ich mit schwacher, verzweifelter Stimme. »Geh nicht. Bleib bei mir. Es tut mir leid.« Ich glaubte nicht, dass sie mich hörte – ich hörte mich ja selbst kaum. »Bitte, geh nicht«, stammelte ich, hätte aber genauso gut versuchen können, mich durch die Wand hindurch in Zeichensprache mit ihr zu verständigen.
    Was um alles in der Welt sollte ich bloß machen, wenn sie jetzt ging? Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich wohl mit den Nachwirkungen der Explosion zu kämpfen haben würde, und der Gedanke, mutterseelenallein zu sein, behagte mir ganz und gar nicht. Augenblicklich bedeutete schon allein der

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