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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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ihr von den Lippen abzulesen, begannen meine Augenlider irgendwann während ihres unhörbaren Monologs zu flattern, mein Hirn wurde so schlaff wie mein restlicher Körper, und der Schock überwältigte mich schließlich doch.
     
    Vermutlich war es die Reibung, die mich wieder wachrüttelte – das unangenehme Gefühl, als mein Rückgrat über den Parkettboden geschleift wurde. Meine Arme waren über den Kopf gestreckt, und das Wohnzimmer glitt ruckweise an mir vorbei. Ich verdrehte die Augen und sah, dass Victoria mich an den Handgelenken gepackt hatte. Entschlossen zerrte sie mich den Flur entlang und mühte sich dabei redlich ab. Breitbeinig, die Hausschuhe beiderseits meiner Schultern fest in den Boden gestemmt, während der Saum ihres Bademantels das Parkett streifte, stand sie da, und ich sah an ihrem hochroten Gesicht und an der Art, wie sie die Augen zusammenkniff, dass sie mehr Gewicht zu schleppen hatte, als mir lieb war.
    »Was machst du da?«, fragte ich.
    Sie zog eine Grimasse und zerrte noch ein bisschen an mir herum. Meine nasse Jeans knäuelte sich um mein Hinterteil.
    »Lass los«, protestierte ich. »Ich kann selbst laufen. Du brauchst mich nicht hier herumzuschleifen.«
    Worauf sie stehen blieb und mich böse anstierte. Ihre Lippen fingen wieder an sich zu bewegen. Spucketröpfchen sprühten, und ich bin mir ziemlich sicher, dass Funken aus ihren Ohren stoben. Irgendwie erinnerte sie mich an eine Pantomimin – wenn auch eine ziemlich gereizte.
    »Lass meine Arme los.«
    Und wer hätte es gedacht, das tat sie doch glatt. Worauf ich natürlich überhaupt nicht gefasst war. Mein Hinterkopf schlug hart auf den Boden auf. Ich stöhnte und presste die Hände gegen die Schläfen, als die verschwommene Zimmerdecke von oben auf mich fiel und dann wieder hochflitschte wie ein Jojo am Faden. Ich vergrub das Gesicht in den Händen und spähte durch die verquollenen Finger hinaus. Die Decke stürzte wieder herab, wobei sie dunkler und immer dunkler wurde, und dann rauschte ich durch sie hindurch, bis ich vollends die Besinnung verlor.

Dreizehn
     
    Als ich wieder zu mir kam, lag ich im Bett. Nackt.
    Es war mir ein Rätsel, wie ich zwischen meinen Laken gelandet war, und ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern, mich ausgezogen zu haben. Mir war fürchterlich kalt, trotz der dicken Decke, die schwer auf mir lag, und ich hatte ein seltsames Pfeifen in den Ohren, wie weißes Rauschen aus einem schlecht eingestellten Radio.
    Ich legte die hohle Hand auf das linke Ohr, wodurch das Pfeifen nur noch lauter wurde, was wohl bedeutete, dass es aus meinem Kopf kommen musste. Kein gutes Zeichen. Schlimmer noch, meine Handfläche war voller Blutstropfen, als ich sie wieder wegzog.
    Ich rieb meine Finger unter der Nase aneinander. Desinfektionsmittel. Der Geruch war unverwechselbar und weckte Erinnerungen an Spielplatzunfälle. Ich schnupperte noch ein bisschen und stellte fest, dass auch mein Gesicht und die Unterarme voll waren mit dem Zeug, das an mir klebte wie ein unangenehmes Aftershave. Vorsichtig hob ich die Arme und betrachtete das feinmaschige Netz aus kleinen Schnitten und Schürfwunden, die übel nässten, sobald die Haut sich spannte.
    »Meinst du, du schaffst es, diesmal nicht umzukippen?«
    Ich erkannte Victorias Stimme, noch bevor ich sie sah. Sie saß mit angezogenen Beinen in ihren Bademantel gekuschelt in einer Zimmerecke im Sessel und las im Schein der Stehlampe mit dem Fransenschirm mein Manuskript. Ich blinzelte, weil das Licht mir in den Augen wehtat. Das Blinzeln half nicht – es machte es sogar noch schlimmer: Der Druck in meinem Kopf wurde stärker, und in meinen Ohren knackte und knisterte es besorgniserregend.
    »Ich habe das Erste-Hilfe-Set aus deinem Badezimmer benutzt«, erklärte sie mir, »und deine Wunden, so gut es ging, versorgt.«
    »Ich bin nackt«, krächzte ich, und meine Stimme klang wie Fingernägel, die in meinem Kopf über eine Schiefertafel schabten. »Vollkommen ... nackt.«
    Sie ließ das Manuskript sinken. »Kaum zu glauben, was?«
    Worauf ich mir an die Stirn griff und mich anschickte, noch etwas zu sagen. »Wo sind meine Sachen?«, fragte ich und versuchte derweil angestrengt mich daran zu erinnern, wie ich mich meiner Kleider entledigt hatte.
    »In der Waschmaschine. Ich dachte, du würdest es mir nicht danken, wenn ich dich klatschnass ins Bett stecke.«
    Oh Mann.
    » Du hast mich ins Bett gesteckt?«
    »Na ja, allein hättest du das wohl kaum geschafft.

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