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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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Wasseroberfläche war mit Regentropfen gespickt, und die Flammen, die aus der Wand hinter mir züngelten, spiegelten sich darin. Wie tief der Kanal hier war, wusste ich nicht, aber er schien ziemlich kalt zu sein – Eis hatte sich an den Holzpfosten, auf denen der Ponton ruhte, und an den geteerten Pflöcken gleich daneben gebildet.
    Ich drehte mich um und warf einen Blick nach drinnen. Inzwischen stand der ganze Raum in Flammen – es gab kein Zurück mehr.
    Ich lehnte mich noch ein bisschen mehr gegen die Balustrade, und noch ehe ich mich selbst dazu durchringen konnte zu springen, erzitterte die ganze Konstruktion und gab nach, hing für einen Wimpernschlag in der leeren Luft, und dann fiel sie und riss mich mit, hinunter in das eisige Wasser, wie ein Getränkeautomat, der eine Limoflasche ausspuckt.
    Als ich mich schließlich humpelnd ins Dorsoduro zurückgeschleppt hatte, dämmerte es bereits beinahe. Ich war nass bis auf die Haut und so blau gefroren, ich hätte glatt als Schlumpf durchgehen können. Ich spürte meine Füße nicht mehr, von meinen Fingern ganz zu schweigen, und es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis ich den Schlüssel ins Schloss der Haustür gefummelt und das verdammte Ding mit den Zähnen umgedreht hatte.
    Die Treppe hinauf zu meiner Wohnung erschien mir steiler und höher als die Dolomiten, und ich bestieg sie wie ein Bergsteiger einen Achttausender: Nach jeder mühsam erklommenen Stufe blieb ich stehen, um nach Luft zu schnappen, und mit jedem neuen Schritt gelangte ich weiter und weiter nach oben in immer dünnere Luftschichten. Die Trittstufen waberten wie im Gruselkabinett auf dem Jahrmarkt, und ich schwankte wie ein Betrunkener bei Windstärke acht. Ich hätte ja um Hilfe gerufen, hätte ich es gekonnt, aber das Allerletzte, was ich jetzt wollte, war, dass Martin und Antea mich in diesem Zustand sahen. Und solange ich weitertappte und mich auf meine Wohnungstür konzentrierte, glaubte ich, es schaffen zu können.
    Wobei ich natürlich, schließlich vor meiner verschlossenen Tür angekommen, auch vor der Herausforderung stand, die drei soliden Schlösser zu öffnen, die ich eigenhändig angebracht hatte. Diese letzte Herausforderung war einfach zu viel für mich. Den Schlüsselbund nutzlos mit den geschwollenen Händen umklammert stieß ich angesichts der verflucht dämlichen Ironie des Ganzen ein schwaches, winselndes Lachen aus – dann sackte ich gegen die Tür, versuchte, die Hand zur Faust zu ballen, was mir nicht gelang, gab auf und schlug stattdessen mit der flachen Hand gegen das Holz.
    Ich hatte keine Ahnung, wie laut ich auf die Tür einhämmerte. Ich spürte die Schläge nicht, und hören konnte ich sie erst recht nicht. Wieder lachte ich dieses irre, benommene Lachen, das ich genauso wenig hörte. Ich lachte und kam mir vor wie ein Komiker in einem alten Stummfilm.
    Meine Augen gehorchten mir nicht mehr und glitten zur Seite. Ich sah, wie meine Hand hilflos gegen die Tür patschte. Ich kam mir vor, als würde ich auf ein Kissen klopfen – wie ein Schaumschläger. Bläschen blubberten mir über den Lippen, ich rollte auf den Rücken und rutschte an der Tür entlang nach unten, bis ich mit den durchweichten Pobacken unsanft auf den Boden sackte. Meine unbrauchbare Hand lag nutzlos in meinem Schoß, verkrümmt und aufgedunsen wie die Klaue einer alten Lebkuchenhexe. Ich ließ den Schlüssel fallen, und ein langer, abgerissener Atemzug entwich meinen Lippen.
    Dann ging die Tür auf, und ich kippte kraftlos nach hinten.
    Victoria stand in rosa Morgenmantel und gepunktetem Pyjama über mir, den Regenschirm wie einen Speer in der hocherhobenen Hand. Stirnrunzelnd schaute sie mich an, dann bleckte sie die Zähne und schleuderte mir Worte entgegen, von denen ich kein einziges verstand. Wie gerne hätte ich etwas erwidert – am liebsten sogar ein langes, eingehendes Gespräch mit ihr geführt. Bloß konnte ich das nicht, also tat ich das Nächstbeste und äußerte mein dringendstes Anliegen.
    »Ruf bloß nicht den Notarzt«, keuchte ich.
    Sie zuckte zusammen, als hätte ich ihr wüst ins Gesicht geschrien. Womöglich hatte ich das auch.
    »Und auch nicht die Polizei«, fuhr ich fort, wobei meine Lautstärke für meine Ohren weiterhin ein Mysterium blieb. »Am besten rufst du gar niemanden. Versprich mir das.«
    Sie stemmte die Hände in die Hüften und funkelte mich wütend an. Schmallippig haute sie mir einige wohl gewählte Worte um die Ohren, doch obwohl ich mir alle Mühe gab, sie

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