Schwarze Schafe in Venedig
Nähe des Fensters zwischen Fußboden und Decke gespannt, und es sah fast so aus, als könne die gewölbte Decke ohne sie einfach einstürzen.
Hopp-a-la.
Aber Schuldgefühle waren momentan fehl am Platz. Schließlich sollten den Palazzo und seinen armen, bedauernswerter Besitzer noch wesentlich schlimmere Verbrechen heimsuchen, und ich war gerade dabei, eins davon zu begehen.
Mit diesem Gedanken schlich ich weiter zu einer schmalen Holzstiege, die steil nach oben in das darüber liegende Stockwerk führte. Ganz gleich, wo ich auch hintrat oder wie leichtfüßig ich die Zehen aufsetzte, die Stiegen knarzten und ächzten zum Gotterbarmen; fast, als seien sie eigens dafür ersonnen, mir das Leben schwer zu machen. Ich blieb stehen und sammelte mich, doch dann ging mir auf, wie unsagbar dämlich es war, mitten auf einer Treppe eine Denkpause einzulegen. Von oben war Musik zu hören, irgendeine Oper (zu mehr reichten meine Klassikkenntnisse leider nicht), also musste jemand zuhause sein. Jemand, der jederzeit nach unten gehen konnte.
Weshalb ich das Risiko einging und schnell weiterlief und inständig hoffte, die Musik werde sämtlichen Lärm, den ich machte, verschlucken. Eine Treppe, dann ein kleiner Absatz, dann noch eine Treppe. Und dann, endlich, das Stockwerk, in das ich wollte.
Der Kontrast zum reich verzierten, verschnörkelten Dekor unten war unübersehbar. Der Grundriss war derselbe – ein langgezogener, zentraler Raum, von dem links und rechts diverse Zimmer abgingen –, aber sonst war eigentlich alles anders. Diese Etage war offensichtlich bewohnt. Der weitläufige Raum in der Mitte war vollgestellt mit durchgesessenen Sofas und abgewetzten lederbezogenen Ohrensesseln, und der Boden war mit einem bunten Schachbrettmuster aus Teppichen in diversen Rottönen ausgelegt – es sah aus wie eine riesige Farbschablone für den neuen Wandanstrich eines Bordells. Es gab Stehlampen und Tischleuchten, zwei tragbare Heizlüfter, die asthmatisch keuchend vor sich hin brummten, einen kastigen Fernseher in einer imposanten Vitrine sowie eine große, altmodische Stereoanlage, auf deren Anzeige unzählige grüne Lichter blinkten. Kabelstränge führten von der Rückseite der Anlage unter den Teppichen hindurch zu einer Reihe Lautsprechern aus Eschenholz. Renaissancekunstwerke suchte man hier vergebens – die Wände waren einheitlich in einem dezenten Beige tapeziert, und die Decke wurde von dunkel gebeizten Holzbalken gestützt. Anderswo hätte dieser Raum sicher sehr beeindruckend gewirkt, aber angesichts von Prunk und Pracht im Stockwerk darunter erschien er eher bescheiden.
Wobei ich ja nicht gekommen war, um die Inneneinrichtung zu bewundern. Normalerweise bestand meine Aufgabe eher darin, sie auszuräumen – zumindest, wenn sich der Aufwand lohnte –, aber auch das stand heute Abend nicht zur Debatte. Ziemlich frustrierend, das Ganze. Zwei saubere Einbrüche in dasselbe verschwenderisch ausgestattete Eigenheim, und ich hatte bei keiner der beiden Gelegenheiten auch nur das kleinste Fitzelchen mitgenommen. Wirklich nichts, womit ich hätte angeben können.
Heilfroh konnte ich allerdings sein, dass meine Ohren wieder einwandfrei funktionierten, ebenso wie die Stimme des Herrn zwei Zimmer weiter zu meiner Linken. Auf Italienisch sang er die mitreißende Melodie aus der Stereoanlage mit, und auch wenn ich beileibe kein Experte auf dem Gebiet bin, fand ich seine Stimme eigentlich ganz passabel.
Ich drückte mich gegen die Wand, rückte die Sehschlitze meiner Skimaske zurecht, stakste zur betreffenden Tür und spähte vorsichtig hinein. Schien, als sei Graf Frederico Borelli neben vielen anderen Gottesgaben auch mit einer sehr sonoren Stimme gesegnet.
Er trug eine schwarze Smokinghose und ein weißes Frackhemd, offensichtlich maßgeschneidert. Ein Samtjackett mit Seidenaufschlägen lag auf einer Ecke des großen Bettes bereit, gleich über einem Paar spitzer schwarzer Schuhe, die so auf Hochglanz poliert waren, dass sie ölig schimmerten. Er selbst stand in Socken vor einem bodentiefen Spiegel, fummelte an seiner Krawatte herum und sang sich selbst etwas vor, wobei er sich auf die Zehenspitzen stellte und wild gestikulierte, wenn die Melodie aus der Anlage nach besonders überschwänglicher Begeisterung verlangte. Zufrieden grinste er sein Spiegelbild an; offensichtlich gefiel ihm seine Darbietung. Gütiger Himmel. Der eitle Gockel sabberte ja fast vor Verzückung.
Leider stand er nicht unbedingt ideal. Ich ging
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