Schwarze Schafe in Venedig
wankte ich wie bei einer improvisierten Stepptanzeinlage hin und her und versuchte verzweifelt, nicht unter meiner Last zusammenzubrechen, während ich gleichzeitig die Pistole einsammelte und sie zusammen mit dem Betäubungsstift in meiner Gürteltasche verstaute.
Nachdem ich gerade lange genug stillgestanden hatte, um das Zittern in den Oberschenkeln und den dumpfen, eben aufblühenden Schmerz im Kreuz zur Kenntnis zu nehmen, drehte ich mich ächzend um und steuerte auf die Tür zu. Ich ließ den liebestollen Kopf des Grafen nicht gegen den Türrahmen knallen, und ich achtete auch darauf, dass er nicht mit den Füßen am Mobiliar hängen blieb, während ich im Zickzackkurs durch seine Wohnung schlingerte, aber als ich ihn schließlich die Treppe bis zum ersten Absatz hinuntergeschleift hatte, waren sämtliche eventuell einmal vorhandenen Skrupel bezüglich seiner körperlichen Unversehrtheit wie weggeblasen. Am zweiten Absatz angekommen stolperte ich ins piano nobile , als trüge ich eine Schaufensterpuppe auf dem Rücken. Zum Teufel mit der Vorsicht – Geschwindigkeit war alles, und wenn das hieß, dass der Graf nachher aufgeschürfte Knöchel hatte, weil ich das Gleichgewicht verloren hatte und mit ihm an der Wand entlanggeschrappt war oder er ein paar leichte Schläge auf den Hinterkopf abbekam, während ich wie volltrunken die Steintreppe zum Keller hinuntertorkelte, tat es mir zwar schrecklich leid, aber dann war ich bereit, das billigend in Kauf zu nehmen.
Endlich im Keller angekommen rebellierte mein Körper bereits heftig und drohte mit einem Generalstreik; ich zitterte, als hätte ich es an den Nerven, und am liebsten hätte ich ihn einfach auf die moosüberzogenen Steinplatten fallen gelassen und ein kleines Atempäuschen eingelegt. Allein die Angst, ihn nicht wieder auf den Buckel gehievt zu bekommen, hielt mich davon ab. Lieber nicht stehen bleiben, ermahnte ich mich streng. Das musste ich auch meinem schreienden Rücken und den bebenden Beinen sagen, und dann wuchtete ich den Grafen wieder in die richtige Position und fluchte leise in der Dunkelheit, als sein Gewicht meine Schultern schier zu Boden ringen wollte. Und so wankte ich weiter über den gepflasterten Hof und wurde dabei immer langsamer, während meine Schritte kürzer und immer verzweifelter wurden, bis ich es endlich in den Garten am anderen Ende des Grundstücks geschafft hatte und vorwärts ins Dunkel stolperte.
Der Aufprall war hart, aber der Graf gab keinen Laut von sich. Ich rollte auf die Seite und keuchte und seufzte eine Weile, und dann jammerte ich noch ein bisschen, nur so. Ich fühlte mich plötzlich so leicht, dass ich fast glaubte, schwerelos zu sein und hinauf in den sternenlosen Nachthimmel schweben zu können. Dann streckte ich die Beine aus und den Rücken durch, und irgendwas knackte unschön unten auf Höhe meines Kreuzes. Herrje, das wollte ich so bald nicht noch mal durchmachen. Ja, es hätte mich nicht gewundert, wenn ich es überhaupt nie wieder hätte machen können. Aber halb so schlimm, schließlich brauchte ich ja ab jetzt nicht mehr so schwer zu heben.
Hmm.
Der unbeschuhte Fuß des Grafen lag neben meinem Kopf, und ich tastete mich an seinem Bein entlang hoch zu seinem Torso. Dann ging ich in die Hocke, packte ihn unter den Achseln und hob ächzend und stöhnend seinen Oberkörper und das Hinterteil vom Boden an. Der Graf rutschte ein wenig in meine Richtung, wobei er mit den Hacken zwei tiefe Furchen in den durchweichten Rasen zog. Um ganz ehrlich zu sein, er hatte sich nicht allzu viel bewegt, aber ich hatte weder die Kraft noch den Willen, ihn noch weiterzuschleppen wie ein Lastesel, weshalb es mir das Beste schien, ihn kurzerhand über das Gras zu schleifen. Nicht gerade die eleganteste Lösung, das stimmt, aber immer noch besser, als den Rest meines Lebens mit einem Quasimodo-Buckel herumzulaufen.
Ich zerrte ihn bis zum Tor hinter mir her. Würden Sie mich bitten, das noch einmal zu tun, ich kann Ihnen versichern, meine Antwort darauf ließe Sie vor Scham erröten. Es dauerte wesentlich länger, als ich gehofft hatte, es war wesentlich schmerzhafter, als mir lieb war, und ganz nebenbei pflügte ich dabei auch noch den schönen Rasen um. Was soll’s. Zumindest hatte ich jetzt die körperliche Arbeit hinter mir und konnte mich wieder einer Aufgabe widmen, in der ich Experte war – mit List und Tücke ein Schloss auszutricksen.
Keine Minute dauerte es, bis das geschafft war, und ausnahmsweise tat es
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