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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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mir fast ein bisschen leid, dass es nicht mehr Zeit in Anspruch genommen hatte. Damit wir beide durch das Tor passten, musste ich den Grafen mit dem Schienbein einen Stoß versetzen und ihn zur Seite kullern lassen, um ihn dann wieder zurückzuschleifen und gegen das Tor zu lehnen, damit es nicht zuschlug. Und just, als ich über ihn stieg und einen Fuß in die Gasse jenseits des Tors setzte, löste ich den Bewegungssensor aus, der seinerseits einen Scheinwerfer aktivierte, der mich beinahe erblinden ließ.
    Ich ließ den Grafen liegen und tastete mich aus dem Lichtkegel hinaus zu meinem Überseekoffer. Ich löste die Expanderkabel, mit denen der Koffer auf den Karren geschnallt war, klappte den Deckel auf und ließ das Ungetüm nach hinten kippen, sodass es schließlich der Länge nach auf dem Boden lag.
    Mit dem Koffer vor mir und dem Grafen gleich daneben kamen mir ernsthafte Zweifel, ob er hineinpassen würde. Hätte ich vorgehabt, den Kerl irgendwo zu verscharren, dann hätte ich die Beine vom Rumpf abtrennen und ihn wie ein Päckchen verschnüren können; alles kein Problem. Aber ich wollte ihn ja lebend und in einem Stück transportieren, was die Sache nicht gerade leichter machte.
    Und auch, ihn zum Koffer zu schleppen war kein Kinderspiel. Ganz zu schweigen davon, ihn hochzuhieven und kopfüber in die Kiste fallen zu lassen. Seinen Torso über die Kante zu schieben war Schwerstarbeit, aber erfreulicherweise kann ich berichten, dass seine Beine ihm daraufhin bereitwillig folgten und es mir sogar gelang, seine Arme so hinzubiegen, dass ich ihm hinter dem Rücken ein Paar von Victorias Handschellen anlegen konnte. Als eigentliches Problem entpuppten sich allerdings die Füße. Selbst nachdem ich ihm das Kinn bis auf die Brust gedrückt, die Schultern gegen eine Seite des Koffers gequetscht und ihm die Knie so weit es ging hochgezogen hatte, bis er zusammengekauert wie ein Fötus dalag, guckten sie immer noch unten raus. Eine seiner schlammverkrusteten Socken war bis zur Ferse heruntergerutscht, sodass darunter der weiche, rundliche Knöchel zum Vorschein kam. Ich trat einen Schritt zurück und erwog kurz sämtliche Möglichkeiten, musste aber leider davon ausgehen, dass ihm seine Füße sicher ziemlich wichtig waren und er es bestimmt nicht goutieren würde, wenn ich sie einfach absäbelte. Letztendlich begnügte ich mich damit, den Deckel so gut es ging zu schließen und dann mit den Expanderkabeln zu sichern und anschließend meinen Mantel auszuziehen und über seine durchweichten Zehen zu drapieren. Und dann schaffte ich es doch tatsächlich, mit einem letzten großen Kraftakt und jeder Menge ebensolcher Ausdrücke, den Handkarren auf die hinteren Räder zu wuchten und die Gasse entlangzuschieben, wobei ich mir hastig die Skimaske vom Kopf riss und die Haare glatt strich, ehe ich auf die belebte Straße hinaustrat.
    Der Weg zum Boot war zwar kurz, aber nicht einfach. Während die Touristen, an denen ich vorbeikam, glücklicherweise ziemlich desinteressiert an mir und meiner Ladung mit Füßen in Schuhgröße 42 waren, hatte ich wohl noch nie etwas körperlich derart Anstrengendes getan, wie den Grafen durch die Gegend zu karren. Schlimmer war nur der Albtraum, den Koffer auf das Motorboot zu heben, ohne unseren fahrbaren Untersatz zum Kentern zu bringen oder einen komatösen Italiener in den schlammigen Untiefen jenseits des Boots versinken zu lassen. Es muss genügen, wenn ich Ihnen sage, dass wir es irgendwie geschafft haben. Aber als wir schließlich fertig waren, hatte ich kaum noch die Kraft, mit Victoria zu reden.
    »Was ist denn passiert?«, fragte sie. »Warum schauen seine Füße unten raus?«
    »Hat nicht gepasst«, keuchte ich.
    Victoria beäugte mich, als unterstellte sie mir mal wieder Pfusch und Stümperei. Gern hätte ich ihr die Gelegenheit gegeben, ihre Meinung zu revidieren, aber irgendwie scheute ich mich davor, den Kofferdeckel aufzuklappen und sie mitten in Venedig mit Kai aus der Kiste und dem menschlichen Puzzle, das ich aus ihm gemacht hatte, zu konfrontieren.
    »Hat er dich gesehen?«, wollte sie wissen.
    »Denke nein«, hechelte ich. »Ich glaube, er wusste gar nicht, wie ihm geschieht. Das Beruhigungsmittel wirkt wirklich erstaunlich schnell.«
    Vor Freude über ihre kluge Anschaffung strahlte sie über das ganze Gesicht.
    »Der Typ im Laden sagte, die Wirkung hält mindestens anderthalb Stunden an«, erklärte sie mir.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. »Dann hoffen wir mal, dass

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