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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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entlangwandern müssen, bis ich endlich ein vorübergehend herrenloses Boot fand, das meinen Ansprüchen genügte. Um ganz ehrlich zu sein, Autoklau war noch nie meine Stärke, aber ich müsste lügen, wollte ich behaupten, die Grundprinzipien dieses Berufs nicht zu kennen. Und angesichts der zwingenden Umstände war ich willens und bereit, diese Kenntnisse nun auf dem Wasser anzuwenden. Die Venezianer sind allem Anschein nach wohl ein sehr vertrauensseliges Völkchen, und so steckte bei der flachen, am Ufer vertäuten Motorbarkasse, die mir ins Auge fiel und die mich wenig später nach Hause bringen sollte, noch der Schlüssel im Zündschloss. Und es war jede Menge Diesel im Tank – zumindest reichte es für eine schnelle Unterrichtsstunde mit Victoria und eine Fahrt entlang des Canal Grande bis zum Rio del Santi Apostoli, von wo es bis zu meinem Ziel nur noch ein Katzensprung war.
    Es war kurz vor acht, als Victoria mit dem Rumpf des Boots an der Backsteinmauer des Kanals entlangschabte und ich ein Seil durch den Metallring am Kai fädelte. Bis dahin war das Ganze ein Kinderspiel. Als Seebär stand ich noch auf etwas wackligen Beinen, um es gnädig auszudrücken, und den Handkarren an das Ufer des Kanals zu hieven, ohne ihn ins Wasser plumpsen zu lassen, entpuppte sich als echte Herausforderung. Gleiches galt für meine Bemühungen, mich vollkommen unauffällig zu verhalten, während ich den Schrankkoffer, den wir aus meinem Wohnzimmer hierhergeschafft hatten, herauswuchtete und mit Expanderkabeln auf den Handkarren schnallte.
    Der Handkarren hatte einen Metallrahmen mit dicken Gummireifen hinten und kleinen Plastikrädern vorne, was es Lieferanten erleichterte, ihre Last über die zahllosen Treppenstufen der vielen Brücken in der Stadt zu transportieren. Ein Glück, dass auf meiner Route keine Brücken lagen; ich brauchte den Wagen bloß über einen von Wohnhäusern umgebenen Platz zu karren, dann die Kirche gleich nebenan zu umrunden und mich anschließend in den Touristenstrom einzureihen, der mich zum vergessenen Ramo Dragan führte.
    Dort ließ ich meinen Karren kurz vor dem Gartentor und dem darunter angebrachten Bewegungsmelder stehen, zog Wintermantel und Fäustlinge aus und streifte mir ein paar individuell angepasste Gummihandschuhe über die bloßen Hände und bandagierten Finger, um dann mein Gesicht hinter der Skimaske verschwinden zu lassen. Die roch durchdringend nach dem Waschmittel, mit dem Victoria sie gewaschen hatte. Als die Augenöffnungen schließlich richtig saßen, kontrollierte ich den Inhalt meiner Gürteltasche.
    Wob e i, meiner Gürteltasche ist nicht ganz richtig. Victoria hatte das Ding an einem Marktstand für mich erstanden. Und ich muss gestehen, ich trug es nur äußerst widerwillig. Nicht nur, weil es strahlend blau war und in grellem Rot-Weiß-Grün den unübersehbaren Schriftzug Italia trug, sondern auch, weil es mein ganzes Outfit versaute. Trotzdem muss ich zugeben, ich hätte unmöglich alles Gerät, das ich für die bevorstehende Aufgabe benötigte, in meinem altgedienten Brillenetui verstauen können. Gut, ein paar Dietriche hätte ich zuhause lassen können, da ich ja wusste, welche Schlösser mich erwarteten, aber ich musste ja auch die praktische kleine Handfeuerwaffe verstauen, die Graziella mir großzügigerweise überlassen hatte, sowie das eine oder andere Accessoire aus Victorias Spionageköfferchen.
    Wie gesagt schaute ich also in meine Gürteltasche und vergewisserte mich, nichts vergessen zu haben. Dann nahm ich die Taschenlampe heraus, steckte sie mir in den Mund und kletterte auf den Koffer.
    Meiner Meinung nach könnten, Gabriellas unbekümmerten Versicherungen zum Trotz, die Sicherheitsvorkehrungen seit dem Bombenanschlag drastisch verschärft worden sein. Selbst wenn der Graf tatsächlich die Polizei von seinem Grundstück komplimentiert hatte, könnte er beispielsweise stattdessen ein paar Leibwächter engagiert haben. Graziella hatte zwar nichts dergleichen erwähnt, weshalb ich mir womöglich vollkommen umsonst Sorgen machte, aber ich wollte so lange wie möglich unentdeckt bleiben, und das mit dem Bewegungsmelder verbundene Licht auszulösen wäre da etwas kontraproduktiv. Aufrecht hingestellt reichte der Überseekoffer mir beinahe bis zum Kinn, und wenn ich auf das Ungetüm kletterte, konnte ich einfach über die Gartenmauer steigen, ohne das Tor zu öffnen.
    Wobei das undefinierbare stachelige Gestrüpp, das die Vorfahren des Grafen angepflanzt

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