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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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Das mag Ihnen jetzt vielleicht nicht einleuchten, aber es stimmt, okay?«
    Er nickte bedächtig. Verächtlich. Das Nicken hatte wohl nicht allzu viel zu bedeuten. Ich wage zu behaupten, in dieser Situation hätte ich ihn dazu bringen können, mir bei so ziemlich allem zuzustimmen.
    »Außerdem sollten Sie wissen, dass wir uns an einem sehr abgelegenen, diskreten Ort befinden. Hier wird Sie so schnell niemand finden, und das schließt auch die Leute ein, die Ihnen nach dem Leben trachten. Das heißt aber auch, dass niemand hört, wenn Sie schreien oder herumbrüllen. Das sage ich Ihnen nur, weil ich Ihnen gern den Knebel abnehmen möchte. Ich muss Ihnen einige Fragen stellen. Verstanden?«
    Er funkelte erst mich bitterböse an, dann Victoria und dann wieder mich. Ich hatte den Eindruck, die Masken arbeiteten gegen uns, aber ich würde einen Teufel tun und sie ausziehen. Nein, stattdessen hockte ich mich vor ihn und schaute ihn durchdringend an, während ich ganz genüsslich meine Zigarette rauchte. Ungefähr eine Minute später versuchte ich es abermals, wobei ich das Handgelenk kreisen ließ und mit der glühenden Zigarettenspitze Achten in die Luft malte.
    »Verstanden?«
    In seinen Augen funkelte es. Sein Blick sprühte nur so vor beinahe greifbarer Abscheu. Aber er nickte.
    »Hervorragend«, sagte ich und trat hinter ihn, wobei ich die Zigarette auf der Zunge balancierte, während ich versuchte, den Knebel zu lösen. Leicht war das nicht. Der Knoten, den wir gemacht hatten, hatte sich durch seine Befreiungsversuche zusammengezogen, und meine tauben Finger waren keine große Hilfe. Schließlich gab ich auf und winkte Victoria, es mit den Fingernägeln zu versuchen.
    Als sie ihm das Tuch schließlich abgenommen hatte, bewegte der Graf vorsichtig die Kinnlade hin und her, wie einer, der gerade aus einem tiefen, erholsamen Mittagsschläfchen aufgewacht ist. Er leckte sich die Lippen, die trocken und verklebt waren.
    »Möchten Sie einen Schluck Wasser?«, fragte Victoria.
    » Si «, sagte er mit heiserer Stimme. Klang, als könne er es gut gebrauchen.
    Schweigend warteten wir, bis Victoria mit einem Becher Leitungswasser aus der Küche am anderen Ende des Flurs zurückkam. Den setzte sie ihm an die Lippen, und er trank gierig. Das Wasser lief ihm aus den Mundwinkeln übers Kinn, aber das schien ihn nicht weiter zu stören.
    »Mehr«, keuchte er.
    Seinem Wunsch folgend verschwand Victoria in der Dunkelheit, um gleich darauf mit dem tropfenden Becher zurückzukehren. Als er auch den zweiten Becher geleert hatte, wischte sie ihm mit einem Geschirrtuch das Kinn ab und tupfte ihm das Gesicht trocken. Womöglich war die Maske des Pestarztes doch nicht so fehl am Platze. Sie mauserte sich ja noch zu einer veritablen Mutter Teresa.
    »Wer sind Sie?« Er hatte einen ausgeprägten italienischen Akzent, sprach aber in einem gemessenen Tempo, und seine Stimme hatte einen weichen, schmeichelnden Unterton, wie ein Casanova, der in seinem Leben schon unzählige Frauen verführt hatte.
    »Das tut nichts zur Sache«, sagte ich zu ihm und versuchte, wieder die Oberhand zu gewinnen.
    »Sie sind Engländer«, zischte er spöttisch, als sei unsere Nationalität an sich schon Beleidigung genug. »Alle beide.«
    »Damit kommen Sie wohl nicht weit.« Ich zog an meiner Zigarette. »In Venedig gibt es mehr als genug Engländer.«
    Angeekelt verzog er den Mund, als übte er sich an einem höhnischen Grinsen. Es stand ihm nicht schlecht. Dieser Mann war es gewohnt, auf andere herabzusehen. Sein ganzes Leben lang hatte er dieses Gefühl genossen.
    »Ich weiß, für wen Sie arbeiten«, knurrte er. »Kluger Mann, habe ich mir sagen lassen. Gerissener Gegner. Aber damit hatte ich wirklich nicht gerechnet.«
    »Tut mir leid, ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    Er grinste mit halb geschlossenen Augen und trägem Blick wie ein Betrunkener – es sah aus, als denke er sich schon eine Strafe für uns aus, wenn diese ganze Sache erst ausgestanden war. »Sie reden sogar genau wie er.«
    »Hör zu, Freundchen«, sagte ich und zeigte drohend mit dem Zeigefinger auf ihn, »wir arbeiten für niemanden. Also lassen Sie die Faxen und sagen Sie uns lieber, wen Sie damit meinen. Hat er versucht Sie umzubringen?«
    »Mich umzubringen?«, fragte er stirnrunzelnd, als traute er seinen Ohren nicht.
    »Mit der Bombe. Jetzt sagen Sie bloß nicht, die haben Sie schon vergessen.«
    Worauf sich eine neue Regung in sein Gesicht schlich, so etwas wie spöttischer Hochmut.

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