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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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Zimmers zu folgen. Seine Nackenmuskeln waren zum Zerreißen gespannt, und er wand sich in den Seilen, die wir ihm um Brust und Oberschenkel geschlungen hatten. Ganz sicher kämpfte er auch gegen die Handschellen, Daumenschellen und Fußschellen, die uns von Victorias kleinem Spionagenecessaire freundlicherweise zur Verfügung gestellt worden waren und mit denen wir ihn vorsichtshalber versehen hatten.
    »Ganz ruhig«, sagte ich, aber ich hatte gut reden.
    Mein gutes Zureden blieb wirkungslos. Der Mann war nicht glücklich über seine missliche Rückenlage. Ich wendete mich an Victoria.
    »Hilf mir mal, ihn aufzusetzen, ja?«
    Gemeinsam brachten wir den Grafen wieder in eine aufrechte Position, und dann nahm ich das verschwitzte Gesicht des Grafen in beide Hände und schaute ihm direkt in die Augen. Im gleißend hellen Licht der Lampe verengten sich seine Pupillen zu stecknadelkopfgroßen schwarzen Punkten, und seine grauen Haare fühlten sich glitschig an unter meinen Fingerspitzen. Er hatte Angst, das sah man, aber es war mehr als das. Er war wütend. Es war beinahe, als könne er nicht fassen, dass jemand den Nerv hatte, einen Mann wie ihn in diese kompromittierende Lage zu bringen.
    »Sprechen Sie Englisch?«, fragte ich.
    Hinter seinen schimmernden Augen konnte man die Gedanken förmlich hin und her schießen sehen. Womöglich hatten diese Gedanken mit der maskierten Gestalt zu tun, die eine Bombe in seinem Haus gezündet hatte. Unrhythmisch sog er Luft durch die Nase ein, als hyperventiliere er, und riss sich aus meinen Händen los. Er versuchte zu schreien. Man konnte sehen, wie der Laut sich in seinem Brustkorb aufbaute, zu seinem nach oben gereckten Mund aufstieg und dann am Knebel hängen blieb. Es bestand keinerlei Gefahr, dass irgendwer ihn hörte, aber das hielt ihn nicht davon ab, es zu versuchen. Er nahm all seine Kraft zusammen und probierte es noch einmal. Sah nicht gut aus für seine Gesundheit. Sein Gesicht war schon helllila angelaufen.
    »Beruhigen Sie sich.« Wieder griff ich nach seinem Haupthaar. »Beantworten Sie nur die Frage. Sprechen Sie Englisch?«
    Wieder stieß er einen erstickten Schrei hervor. Dieser war noch länger als der vorige. Langsam machte ich mir Sorgen, er könnte einen Schlaganfall bekommen, wenn er sich weiter so verausgabte. Und mir gefiel auch nicht, dass er meine Anweisungen einfach ignorierte. Sollte ich hier nicht eigentlich das Kommando haben?
    »Hey«, rief ich. »Hey!«
    Und dann verpasste ich ihm eine Ohrfeige. Eine richtig feste, schallende. Ich kann nicht behaupten, die Logik dahinter begriffen zu haben, aber die Backpfeife schien ihre beabsichtigte Wirkung nicht zu verfehlen. Einen Moment schaute er mich dumpf an, und Tränen schossen ihm in die Augen. Dann schlichen sich die kleinen runden Pupillen seitwärts und riskierten einen Blick auf meine geöffnete Hand. Die Sorge war unnötig. Ein zweites Mal würde ich das bestimmt nicht machen. Die Hand tat ganz schön weh – bei dem Schlag hatte es meine kaputten Finger ordentlich durchgeschüttelt, was nicht gerade angenehm war.
    »Also, sprechen Sie Englisch?«
    Nun endlich nickte der Graf, wobei er es schaffte, selbst dabei seine abgrundtiefe Verachtung zum Ausdruck zu bringen. Eigentlich hatte ich nicht daran gezweifelt, dass die Antwort darauf Ja lautete. Die Frage war bloß, ob er soweit bei Sinnen war, überhaupt vernünftig antworten zu können.
    Ich trat einen Schritt zurück und schob die Lampe mit dem Fuß ein Stückchen beiseite, damit sie ihm nicht mehr direkt ins Gesicht schien, dann zog ich meine Zigaretten aus der Tasche. In aller Gemütsruhe zündete ich mir eine an. Zum einen, um meine flatternden Nerven zu beruhigen, zum anderen, um ein bisschen Zeit zum Nachdenken zu schinden. Irgendwie schien diese Geste jetzt genau das Richtige zu sein. Ich war kein gewalttätiger Mensch, und ich hatte ganz bestimmt nicht vor, den Mann mit Schlägen gefügig zu machen. Aber ich wollte den Eindruck erwecken, dass ich das Heft in der Hand und so etwas schon viele dutzend Mal gemacht hatte. Die Zigarette erschien mir dabei ein nützliches Requisit; damit wirkte ich gleich viel entspannter, auch wenn ich es gar nicht war. Als sei ich ganz Herr der Lage.
    »Also, zunächst sollten Sie wissen«, sagte ich zu ihm, während ich die Skimaske hochkrempelte und schnell an der Zigarette zog, »dass wir Ihnen nichts tun.« Ich pustete den Rauch aus dem Mundwinkel. »Wir haben Sie zu Ihrem eigenen Schutz hierhergebracht.

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