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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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Augen. Und jetzt, wo sie es erwähnte, war ich mir nicht mal mehr sicher, ob er tatsächlich noch atmete.
    »Vic, hat seine Brust sich nicht eben noch gehoben und gesenkt?«
    »Klar.«
    »Tja, jetzt aber nicht mehr.«
    Victoria stierte erst mich finster an und dann den Grafen. Dann biss sie sich auf die Unterlippe.
    »Mmm«, sagte sie.
    » Mmm? Ist das alles? Mehr hast du dazu nicht zu sagen?«
    »Na ja, jetzt, wo du es sagst ... Es sieht tatsächlich so aus, als sei seine Atmung ein klitzekleines bisschen flacher geworden.«
    »Flacher? Sie hat ausgesetzt. Sieh hin. Hör hin.« Ich hob die Hand, damit sie still war. »Da. Nichts. Nicht der leiseste Hauch.«
    »Mmm.«
    »Bitte sag mir nicht, dass wir ihn umgebracht haben. Wer hat dir dieses Waffenset verkauft?« Ich trat mit dem Fuß nach dem schweinsledernen Köfferchen. »Der verfluchte KGB, oder was?«
    »Fühl mal seinen Puls.«
    »Fühl du doch selber seinen Puls.«
    »Interessante Idee«, meinte sie. »Nicht schlecht. Aber wie wäre es, wenn du mal ausnahmsweise den Puls fühlst.«
    »Herr, steh mir bei.«
    Und damit sog ich einen tiefen, zittrigen Atemzug ein, hob die Hände zu einem kurzen Stoßgebet über den Kopf und machte dann zögerlich einen Schritt auf den Grafen zu. Sein Kopf baumelte seltsam verdreht nach links, und im Schein der Lampe hatte seine gebräunte Haut einen ungesund grünlichen Schimmer. Es sah einfach unnatürlich aus. To t a l unnatürlich. Tot irgendwie.
    Ich ließ die Schultern kreisen und die Finger knacken. Dann schniefte ich, bückte mich und legte die Finger fest auf den Puls an seinem Hals.
    Seltsam – aber kaum berührte ich mit der Hand seine klamme Haut, da riss er den Kopf hoch, seine Nasenflügel flatterten, und die Augen wurden riesengroß. Dann stieß er einen erstickten, vom Knebel gedämpften schrillen Schrei aus, rückte ruckartig von mir ab und kippte mit dem Stuhl hintenüber.

Siebenundzwanzig
     
    Ich griff mir mit der Hand an die Brust, wie die Leute im Film, wenn sie sich erschrecken und nicht so genau wissen, wo genau ihnen das Herz hingerutscht ist. Knapp oberhalb meines Solarplexus ballte sich ein dicker Adrenalinklumpen zusammen, und meine Innereien hatten sich zu einem schmerzenden Knoten verschlungen. In meinen Schläfen pochte es wie wild. Dabei hatte ich sicher nicht den größten Schreck bekommen. Wie musste erst dem Grafen zumute sein?
    Der wirkte auch nicht gerade tiefenentspannt. Mit aller Macht wehrte er sich gegen seine Fesseln, und der Stuhl knallte bei seinem krampfhaften Bemühen, sich zu befreien, immer wieder rumpelnd auf den Boden. Dabei schrie er aus vollem Halse. Zumindest nehme ich an , dass er schrie – schwer zu sagen, bei einem Knebel im Mund. Wobei es ja auch ein etwas unpassender Moment gewesen wäre, jetzt eine Arie zu schmettern, und wenn man seine hochroten Wangen bedachte und die Tatsache, dass ihm die Augen beinahe aus dem Kopf fielen, dann konnte man wohl davon ausgehen, dass er gerade am Rande eines Nervenzusammenbruchs stand.
    Was ich nur zu gut verstehen konnte. Mir ging es schließlich auch nicht anders, dabei wurde ich nicht mal von einem maskierten Mann angestarrt, der mich zuvor betäubt und dann aus meinen gemütlichen vier Wänden entführt hatte.
    Um ihn zu beruhigen, legte ich ihm eine Hand auf den Arm. Die Geste ging nach hinten los. Er zuckte zurück, als hätte ich ihm einen elektrischen Schlag versetzt.
    »Schon in Ordnung«, meldete Victoria sich über meine Schulter hinweg zu Wort. »Wir tun Ihnen nichts.«
    Einen Versuch war es wert. Ihre Stimme klang zwar sehr beruhigend, aber ich vermute, dass die Maske eines venezianischen Pestarztes, die sie trug, den freundlichen Eindruck zunichtemachte. Die Maske war blutrot und hatte eine Hakennase und tief liegende Augenhöhlen und bedeckte bis auf Mund und Kinnpartie ihr ganzes Gesicht. In der kurzen Zeit hatten wir nichts Besseres gefunden. Wir hatten sie aus meiner Wohnung, wo sie schon bei meinem Einzug an der Wand gehangen hatte. Leider hatte ich nur die eine Skimaske, und wir wollten auf keinen Fall, dass der Graf unsere Gesichter sah. Wobei ich inzwischen der Meinung war, wir hätten wohl besser Sehschlitze in einen Kissenbezug geschnitten. Der arme Kerl dachte sicher, er sei mitten in einem gruseligen Halloween-Albtraum aufgewacht.
    Entsetzt wich er vor uns zurück. Das war für ihn zwar nicht leicht war, aber es gelang ihm trotzdem; er wendete den Kopf ab und mühte sich, seiner Nase in eine dunkle Ecke des

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