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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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Seite gehört hatte –, aber ob sein Talent ausreichte, um unter den Augen all dieser Leute ein Ding zu drehen, ohne sich dabei erwischen zu lassen?
    Wenn Sie mich fragen, seine Chancen standen denkbar schlecht, ganz gleich, wie gut er auch sein mochte. Für gewöhnlich arbeiten Casino-Betrüger im Team zusammen, wobei ihr Erfolg maßgeblich davon abhängt, ob es den Helfern, die selbst nicht am Spieltisch sitzen, gelingt, die Casino-Angestellten im entscheidenden Moment abzulenken. Das gilt fürs Chiptauschen – eine Methode, bei der mit einem Die-Hand-ist-schneller-als-das-Auge-Trick der Wetteinsatz erhöht wird, nachdem die Gewinnerkarte gespielt wurde, ebenso wie für diverse andere Methoden. Manche dieser Systeme waren mir einfach zu hoch. Andere hatte Victoria mir lang und breit erklärt. Aber nur sehr wenige davon konnte ein Spieler ganz allein anwenden.
    Mein Blick schweifte über die Zuschauermenge. Etliche der Beobachter waren über sechzig – bestimmt gut die Hälfte der Anwesenden –, aber darunter war keiner, der auch nur das kleinste bisschen verdächtig wirkte. Und außerdem wusste ich auch nicht, wie irgendwer ihm helfen sollte. Es gab nur einen einzigen Spieltisch, und der stand unter genauester Beobachtung durch mehrere dutzend Zuschauer. Außerdem spielte man hier ein Black-Jack-Turnier, sodass man nicht einfach einen einzigen waghalsigen Spielzug riskieren und sich dann schleunigst mit dem Gewinn aus dem Staub machen konnte. Hier ging es darum, auf lange Sicht geschickt zu spielen und strategisch gewieft Chips anzusammeln, und das funktionierte bei keinem mir bekannten Betrugssystem.
    Keinem, bis auf eins.
    Kartenzählen ist genau genommen nicht verboten. Selbst bei einem begründeten Verdacht konnte man deswegen nicht verhaftet werden. Aber zumindest aus Sicht des Casinos widersprach es dem wahren Geist des Spiels und wurde ungern gesehen.
    Bei einem ganz gewöhnlichen Black-Jack-Spiel kann ein geübter Spieler sich merken, welche hohen und niedrigen Karten der Schlitten bereits ausgespuckt hat. Ab einem bestimmten Punkt steigen die Chancen auf einen Gewinn erheblich, und der Spieler kann einen hohen Einsatz riskieren. Wobei der Nachteil dieser Methode natürlich darin besteht, dass man, wenn man urplötzlich einen ungewöhnlich hohen Wetteinsatz tätigt, unerwünschte Aufmerksamkeit erregen könnte. Und wenn man dabei allzu auffällig vorgeht, könnte man durchaus aufgefordert werden, den Tisch zu verlassen – manchmal höflich, aber immer sehr bestimmt.
    Das mag alles schön und, ich wage gar zu sagen, auch gut sein. Und ich zweifelte keinen Augenblick daran, dass viele ehrbare Bürger, die an dem Turnier teilgenommen hatten, sich ganz genau an Recht und Gesetz gehalten hatten. Woher ich das so genau wissen wollte? Tja, ganz einfach. Sie saßen nicht am Finaltisch. Denn, ich bitte Sie, Fairplay und Edelmut in allen Ehren, aber wer ein Black-Jack-Turnier gewinnen will, muss einfach Karten zählen.
    Zugegeben, die italienische Mama ganz links außen spielte allem Anschein nach fair, was wohl auch erklärte, warum sie hinwarf, nachdem sie mit ihren achtzehn Zählern alles auf eine Karte gesetzt hatte, nur um dann mit Schrecken feststellen zu müssen, dass der Dealer zwanzig auf der Hand hatte. Was die übrigen verbliebenen Teilnehmer anging, bestand für mich allerdings kein Zweifel, dass sie sich allesamt derselben dunklen Künste bedienten. Was sich unter anderem auch dadurch bestätigte, dass ihre Wetteinsätze kurioserweise stets im selben Moment dramatisch zu- oder abnahmen. Und auch wenn deshalb sicher niemand so schnell Falschspiel monieren würde, hatte ich doch Bauchschmerzen angesichts der Befürchtung, Victorias Vater könne womöglich mit einem allzu krassen Winkelzug alles aufs Spiel setzen und sich verraten.
    Die Amerikaner neben mir unterhielten sich immer noch. Ich beugte mich zu ihnen rüber und unterbrach ihr Gespräch mit einer weiteren Frage. »Wissen Sie vielleicht, wie lange das hier noch dauert?«, fragte ich.
    Der Pummelige wies auf eine reich verzierte Wanduhr hinter mir. »Um Mitternacht ist Schluss.«
    »Mitternacht? Wie theatralisch.«
    Doch anscheinend hatte nicht jeder einen derart ausgeprägten Sinn für theatralische Inszenierungen, und die beiden schienen auch nicht besonders scharf auf eine Unterhaltung mit mir zu sein. Ehe ich noch eine weitere Frage stellen konnte, hatten sie sich schon entschuldigt und drängelten sich durch die Menge zur anderen Seite des

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