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Schwarze Schafe in Venedig

Schwarze Schafe in Venedig

Titel: Schwarze Schafe in Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Ewan
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zwischen zwei munter blinkenden Spielautomaten, und davor stand eine Klapptafel, auf die ein bedruckter Zettel geheftet war. Der Zettel war leuchtend orange, und darauf stand in kursiver Schrift allerhand Italienisches, garniert mit reichlich Ausrufezeichen. Mitten auf der Seite prangte das Bild eines geöffneten Koffers, vollgestopft mit einer exorbitanten Menge Bargeld. Und unter dem Koffer stand etwas, das selbst ich verstand. Es war nur eine Zahl, aber es war eine stolze Zahl und beeindruckend dazu.
    Euro 500 000!!!
    Ich schaute Victoria an. Victoria zwinkerte mir zu. Ich hörte Stimmengewirr aus dem Raum jenseits der Hinweistafel und neigte den Kopf in Richtung Tür.
    »Weißt du was«, meinte Victoria, »womöglich haben wir unseren Metzger gerade gefunden.«
     
    Tatsächlich hatten wir einen rechteckigen Raum gefunden, ungefähr so groß wie ein Basketballfeld. In dem Raum drängte sich eine elegant gekleidete Menge in Abendgarderobe, die an eisgekühltem Prosecco in langstieligen Gläsern nippte und Kanapees mümmelte. Links von uns zupfte eine Harfenistin eine angenehme Hintergrundmelodie, während zwei gutaussehende Typen in burgunderroten Hemden und schwarzen Krawatten an einer provisorischen Bar Prickelwasserflaschen entkorkten.
    Auf der anderen Seite der Bar stand ein unbesetzter Black-Jack-Tisch, gegen den sich ein Damengrüppchen in funkelnder Abendrobe lehnte. In den anderen Ecken des Raums waren drei weitere Spieltische aufgestellt. An keinem davon wurde gespielt, und alle wurden als provisorische Sitzgelegenheit genutzt.
    Entschlossen packte mich Victoria an der Hand und schleifte mich mitten durch die schick gekleidete Meute hinein in den Raum. Der wohlhabende Mob drängelte sich dichter zusammen, je weiter wir uns hineinwagten, und mir fiel auf, dass immer mehr Männer darunter waren. Ohne Victorias freundliche, aber sehr bestimmte » Scusis« und »Per favores« und ihr kokett flirtendes Lächeln wage ich zu bezweifeln, dass wir es auch nur halb so weit geschafft hätten. Mit dieser Methode allerdings gelang es uns, uns bis ganz nach vorne durchzuschlängeln, und da endlich konnte ich ihr über die Schulter spähen und nach der Ursache dieser ganzen fieberhaften Aufregung Ausschau halten.
    Etwa fünf Meter entfernt stand ein hinter einem Kreis aus Samtseilen und Messingpollern abgesperrter Black-Jack-Tisch. Der Croupier war Italiener, Mitte dreißig, hatte ein ernstes, waches Gesicht, dichte, zurückgegelte schwarze Haare und trug einen korrekt gebügelten Smoking. Die Jackenärmel waren etwas zu lang und fielen ihm über die Hände. In Vegas hätte man ihm das nicht durchgehen lassen.
    Der Tisch war für sechs Spieler ausgelegt, doch nur fünf Plätze waren besetzt – der Platz rechts innen war leer. Den Spieler links davon erkannte ich auf Anhieb. Und so, wie Victoria mir die Hand drückte, nahm ich an, sie hatte ihn auch bemerkt. Es war unser dicker Grobian, diesmal in riesenhafter, fadenscheiniger Smokingjacke, die aussah, als habe er sie in einem Sozialkaufhaus erstanden. Mit dem buschigen, zotteligen Bart und den Haaren, die im Nacken lang und lockig waren, sah er aus wie ein Waldschrat. Bei unserer letzten Begegnung hatte er genauso ungepflegt ausgesehen, wobei er da einen Fedora getragen hatte. Es war ein echter Schock, ihm jetzt so unerwartet im Casino gegenüberzustehen, und fast erwartete ich, er müsse unsere Unruhe spüren, sich umdrehen und uns mit einem fiesen kleinen Lächeln bedenken. Andererseits war es immer noch besser, als sich von ihm beim Knutschen beobachten zu lassen. Und außerdem merkte man an der Art, wie er sich über den Tisch beugte, als biege der sich unter einem Festmahl erlesener Köstlichkeiten, auf das sich unser Freund schon seit Tagen freute, dass er voll und ganz auf das Spiel konzentriert war.
    Mein Blick wanderte zu seinen Mitspielern. Zwei davon waren asiatischer Herkunft – ein hipper Jüngling mit Designer-Dreitagebart und der skurrilen Macke, mit einer überdimensionalen Sonnenbrille zu spielen, hinter der sein halbes Gesicht verschwand, die andere war eine etwas etepetete wirkende Dame Ende fünfzig mit einem tadellos sitzenden Dutt und einer goldenen Cartieruhr am Handgelenk. Neben ihr saß ein etwas steif wirkender weißhaariger Gentleman, dessen Smoking so eng saß, als habe der Herr mit der drahtigen Figur sich darin einschweißen lassen. Sollte ich raten, hätte ich getippt, er müsse entweder Brite oder Amerikaner sein. Sein akkurat

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