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Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi

Titel: Schwarze Schiffe - Kommissar Ly ermittelt in Hanoi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Luttmer
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brauchte einen Moment, bis er zu sich kam. Huong saß neben ihm und sah ihn ängstlich an. Er streckte seine Hand nach ihrem Kopf aus und strich ihr über die Wange. »Nur ein Traum, Schätzchen. Schlaf weiter.«
    *
    »Ly, bist du da?«, rief jemand.
    Ly öffnete die Augen und schaute auf den Wecker neben dem Bett. Es war sieben. Huong lag zusammengerollt neben ihm und schlief. Ein schlechtes Gewissenkroch in ihm hoch. Mitten in der Nacht hat er Huong mit seinem Alptraum geweckt. Und gestern hatte er sie nicht einmal angerufen, um ihr zu sagen, dass er später komme. Vom Fluss war er zu Minh ins bia hoi gefahren und dort versackt.
    Schritte ertönten von der Stiege her, und Ly hörte, wie jemand auf der Treppe die Schuhe auszog. Es war Dang, der barfuß durch die offene Tür trat.
    Ly konnte sich nicht erinnern, dass der Chef der Spurensicherung ihn jemals zu Hause aufgesucht hätte. Er stand auf und warf sich ein Hemd über den nackten Oberkörper. Die Hose von gestern hatte er noch an.
    »Oh, entschuldige. Du hast noch geschlafen?« Dang senkte sofort die Stimme. »Die Tür zur Straße war offen. Deine Mutter meinte, ich solle einfach hochgehen.«
    »Kaffee?« Ly setzte Wasser auf, ohne die Antwort abzuwarten. Dang breitete eine Karte von Hanoi auf dem Boden aus. Der Rote Fluss schlängelte sich, von Norden kommend, östlich an der Stadt vorbei. Mit rotem Filzstift machte Dang auf der Karte einen Kringel an der Stelle, an der sie den Toten gefunden hatten.
    Huong reckte sich murrend und zog sich die Decke über den Kopf. Als sie jedoch merkte, dass Besuch da war, sprang sie auf, schnappte sich ihre Decke, schlang sie sich um den Bauch und tappte in ihrem Blümchenschlafanzug ins Erdgeschoss.
    Ohne lange zu warten, setzte Dang an, die Ergebnisse seiner Arbeit zusammenzufassen. Er sprach schnell. »Wir haben den ganzen Fluss abgesucht, zusammen mit den Männern vom Wasserschutz. Wir haben das Umfeld des Tatorts untersucht, so gut das in einem Fluss eben geht.Ziemlich sicher ist der Mann mit etwas beschwert gewesen, als er in den Fluss geworfen wurde.«
    Dangs Theorie war, dass der Mann lebend in einen Sack gesteckt und im Fluss versenkt worden war. Mit gefesselten Händen und Füßen. Er war ertrunken. Aber nicht sofort. Er hatte sich noch aus dem Sack befreien können. Die Spurensicherung hatte einen Reissack gefunden, oder, um genau zu sein, hatte sie Dutzende Reissäcke gefunden. Ein Sack allerdings war besonders. Darin steckte ein Stück grünes Seil, das gleiche grüne Seil, mit dem auch die Beine des Toten zusammengebunden waren. Vielleicht waren damit seine Hände gefesselt gewesen. Auf jeden Fall hatte der Mann sich aus dem Sack befreit, konnte aber die Fessel von seinen Füßen nicht lösen. Und ihm fehlte die Kraft, sich an Land zu retten.
    Fast hätte Ly das Kaffeewasser vergessen. Schnell drehte er das Gas ab und goss das Wasser in die beiden Aluminiumfilter, die er auf kleine Gläser gestellt hatte.
    »Meinst du, man hat ihn von Phuc Tan aus ins Wasser geworfen, dort, wo wir ihn gefunden haben?«, fragte Ly.
    »Den Sack haben wir viel weiter oben im Fluss gefunden. Ich denke, er wurde von einem Boot ins Wasser gestoßen«, antwortete Dang.
    Lys Phantasie begann zu arbeiten: Er sah den Mörder vor sich, wie er den Mann auf ein Boot zerrte. Es war Nacht. Er ruderte hinaus auf den Fluss. Vielleicht waren sie auch zu mehreren. Sie fesselten den Mann, stülpten ihm den Reissack über den Kopf. Er zappelte verzweifelt, wie ein Schwein im Sack. Sie banden den Sack fest zu und warfen ihn in den Roten Fluss. Konnte es so gewesen sein?
    »Wir haben das hier gefunden.« Dang zeigte Ly ein Foto von einem länglichen Metallgegenstand mit eingeklappter Spitze.
    »Was ist das?«, fragte Ly.
    »Damit war der Sack beschwert. Ein Anker. Sampans auf dem Roten Fluss verwenden solche Anker.«
    *
    Über eine Stunde lang hatte Ly wieder und wieder versucht, seinen Kollegen Xuan vom Wasserschutz zu erreichen. Auf seinem Handy, bei ihm zu Hause, in der Hauptwache der Wasserschutzpolizei. Nirgends nahm jemand ab. Ly rief in Xuans Hotel an, doch da, so die Rezeptionistin, war er auch nicht. Und sein Internetcafé hatte noch zu. Schließlich fuhr Ly zum Wasserschutz raus, irgendjemand musste da ja Dienst schieben, auch wenn niemand ans Telefon ging.
    *
    Das Gebäude vom Wasserschutz lag nördlich von Phuc Tan am Ufer des Roten Flusses. Ein schlichter, etwas schmuddelig wirkender Betonklotz auf Pfählen, die zurzeit im Trockenen

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