Schwarze Schilde
konnte, was in Gasam vorging.
Aber ihn plagten noch andere Sorgen. Er hatte nicht vor, nur gegen Gasam zu kämpfen. Die Schlacht musste einen für ihn günstigen Ausgang nehmen, da er mit einer unversehrten Armee heimkehren wollte. Natürlich waren Verletzungen unumgänglich. Seine Krieger würden den Krieg als armselig ansehen, wenn nicht wenigstens ein paar von ihnen umkamen. Aber Hael beabsichtigte nicht, einen Sieg zu erringen, der ihn so viele Krieger kostete, dass man ihn eigentlich schon als Niederlage bezeichnen musste.
Gasam war das Leben seiner Männer gleichgültig. Sie bedeuteten ihm nichts. Menschen waren die Werkzeuge für seinen Ehrgeiz. Hael dachte, dass Gasam mit dem Leben der Shasinn ein wenig vorsichtiger umging und die minderwertigen Völker zuerst aufs Spiel setzte. Ob es daran lag, dass die Shasinn sein eigenes Volk waren oder daran, dass sie die besten Kämpfer waren – das war ein Geheimnis. Vielleicht spielte beides eine Rolle, oder der Grund war ein völlig anderer.
Dann war da noch Larissa. Hael versuchte, nicht an sie zu denken – aber vergebens. Er hatte sie geliebt, und sie hatte ihn wegen Gasam verraten. Und nun war sie hier. Sie hatte ihren Gemahl begleitet und regierte als Königin in Floria. Pashir hatte ihm Briefe von Larissa an Shazad gezeigt, die allerdings von Pashirs Nichte geschrieben worden waren, die als Gefangene im Palast der Königin lebte. Pashir war seltsamerweise nicht bereit, viel über die junge Adlige zu erzählen. In den Briefen hatte Hael keine Spur der Larissa gefunden, die er einst gekannt hatte. Jene Frau – nein, jenes Mädchen – war ein eigenartiges Kind gewesen, fast so eigenartig wie Hael selbst. Als Kinder hatten sie sich nahe gestanden, weil sie beide anders waren. Hael, weil er ein Waisenknabe war, schon immer mit den Geistern in Verbindung stand und so gut wie kein zweiter mit Tieren umzugehen verstand; und Larissa, weil sie damals seltsam ausgesehen hatte – nicht wie andere Shasinnmädchen. Einen Unterschied gab es jedoch. Er war, nach Shasinnansichten, von niederer Geburt gewesen, und daran hatte sich nichts geändert. Sie war die Tochter des Häuptlings und der ersten Hebamme des Stammes, und als Heranwachsende zu einer atemberaubenden Schönheit erblüht.
Er wusste, wie albern derartige Gedanken waren. Wäre er bei den Shasinn geblieben, wäre Larissa nie die seine geworden. Außerdem hatte er mit diesem Volk für immer gebrochen. Er besaß ein ganzes Königreich, eine Frau und Kinder, die er liebte. Dennoch konnte er nicht ohne Schmerz an Larissa denken. Schmerz um die verlorene Liebe, Schmerz wegen des Verrates. Hatte Gasam sie verführt, oder war sie schon immer schlecht gewesen? Oder hatte Schlechtigkeit nichts damit zu tun? Hael hatte sich von den Zwängen seiner Jugend befreit und war längst nicht mehr sicher, was wirklich böse war. Bestimmt nicht das Verletzen eines der alten Bräuche.
Er hatte Shazad für schlecht gehalten. Einst hatte er geglaubt, sie habe einen Mann angeheuert, um ihn zu töten. Stattdessen hatte er den Mann umgebracht und nie erfahren, ob sein Verdacht zu Recht bestand. Inzwischen war er der Meinung, dass sie eine junge Frau war, die ein vornehmes, sorgloses und ausschweifendes Leben geführt hatte, bis Gasam auftauchte und sie dazu zwang, die ungekrönte Königin Nevas zu werden. Sie war erbarmungslos vorgegangen, und selbst die schwer zu beeindruckenden Nevaner sprachen voller Bewunderung über die Kreuzigungen, die Folter und die Hinrichtungen, die sie angeordnet hatte. Nirgendwo entdeckte Hael eine Spur, dass sie dies alles nur zum Vergnügen getan hatte. Ihre sämtlichen Taten hatten Neva gestärkt und ihren Vater unterstützt. In den letzten Minuten der Schlacht im Hafen von Floria hatte sie ihre Freiheit geopfert, vielleicht sogar ihr Leben, um ihren Vater zu retten. Außerdem, dachte er plötzlich, war es gut möglich, dass Pashir damals den Mörder angeheuert hatte. Nun, es lag lange zurück, und jetzt musste er sich den Tatsachen stellen. Die größte Schwierigkeit war und blieb Gasam.
Gasam, dessen war sich Hael völlig sicher, blieb durch und durch böse.
Die Späher waren ganz sicher. »Es ist die omianische Armee, mein König. Viele Soldaten, sehr viele. Sie sind in Reihen aufgestellt, aber nicht so geordnet wie die Nevaner. Wir sahen Schilde, Speere und ein paar Schwerter. Aber unfassbar viele Soldaten, ungefähr zwei- oder dreimal so viel wir.«
»Da können wir viele umbringen«,
Weitere Kostenlose Bücher