Schwarze Schilde
Vergnügungsboot, geeignet für Kreuzfahrten bei schönem Wetter und ausgelassene Feste. Sie hatte einen vollständigen Umbau befohlen, und das Boot war zu einer leichten Marinefregatte geworden. Die meisten der kostbaren Möbelstücke und Dekorationen waren entfernt und durch schlichte Einrichtung ersetzt worden. Shazads vornehmes Schlafgemach war verschwunden, um das Schiff tiefer zu legen und seetüchtiger zu machen. Stattdessen bewohnte sie nun eine winzige Kabine. Ruderbänke waren angebracht worden, und Dollen säumten das Schanzkleid. Der Rumpf war gelb und grün gestrichen – in den Farben der nevanischen Marine. Die Segel waren, genau wie die des königlichen Schiffes, der Kriegsdrache, in den Farben der Herrscherfamilie rotweiß gestreift.
Shazad erwiderte den Gruß und nahm den Jubel der Menschenmenge entgegen, die sich auf dem Pier und hinter dem Handelshafen auf dem großen Platz versammelt hatte. Seit Wochen waren bei gutem Wetter täglich Leute zum Hafen geströmt, um dem Ausrüsten der neuen Flotte beizuwohnen. Die Marine war schon immer der Stolz von Kasin gewesen, und die Bürger interessierten sich für alle Neuerungen. Sie wussten, dass die ungewöhnliche Prinzessin das Ruder in die Hand genommen hatte, und nach ihrem Vater war sie inzwischen zur beliebtesten Person des Reiches geworden.
Sie hatte dafür gesorgt, dass die Leute erfuhren, wer für den Aufschwung bei der Flotte verantwortlich war, indem sie ihre Diener ausschickte, um die Kunde verbreiten zu lassen. Überall, in den Tavernen und auf den Märkten, in den Spielhöllen und Bordellen war bekannt geworden, dass die Prinzessin fähiger als jeder Edelmann war und die Marine übernommen und wieder zu altem Glanz gebracht hatte. Sie hatte Unrecht und Bestechlichkeit ausgemerzt.
Wenn man einen Blick auf die Mole warf, die dem Handelshafen als Wellenbrecher diente, bemerkte man die Folgen ihres Vorgehens: Kreuz an Kreuz stand dort aufgereiht. An jedem hing der Körper eines Mannes, der einst eine Vertrauensstellung inne gehabt hatte. Shazads Nachforschungen waren unerbittlich und gründlich gewesen. Sie hatten unbeschreibliche Verschwendung, Unfähigkeit und Unehrlichkeit auf jeder Ebene des Militärs, der Beamten und der bürgerlichen Lieferanten ans Tageslicht gebracht. Im Gegensatz zu den Admiralen und Edelleuten, die gewohnheitsmäßig über diese Dinge hinwegsahen, war sie sich nicht zu schade für eine dermaßen anstrengende Kleinarbeit gewesen. Bestechung und Unfähigkeit gehörten noch zu den harmlosesten Vergehen. Shazad hatte Verrat und Spionage aufgedeckt. Sie hatte die Nase sowohl in die persönlichen Briefe hoher Minister wie auch in den Schreibkram kleiner Beamter gesteckt und überall erschreckende und eindeutige Beweise gefunden.
Nicht jede Pflicht war so unangenehm gewesen. An einem erinnerungsträchtigen Tag mussten sich sämtliche Ruderer der Marine nackt vor ihr aufstellen. Die Männer hatten in der kühlen Luft gezittert. Shazad hatte sich durch die Reihen hindurchgearbeitet und jeden einzelnen genau untersucht. Sie hatte nach strammen Muskeln getastet und gefühlt. Jeder, der ihr schwach oder nicht fähig genug erschien, wurde nicht weiter beachtet. Sie suchte nach Anzeichen für Verletzungen, Hämorrhoiden oder noch peinlicheren Krankheiten. Nachdem sie fertig war, hatte sie die vierzig besten Männer als Ruderer für die Mondschein auserwählt.
Jetzt, am Tag der Abreise, war sie gewiss, über die beste Marine der Welt zu verfügen, was die Besatzungen und die Ausrüstung der Schiffe betraf. Bei den Befehlshabern war sie sich dessen nicht so sicher. Dieser Bereich entzog sich ihrer Aufsicht.
Shazad war nicht der Meinung, dadurch falsch gehandelt zu haben, dass sie die Nachricht über ihre Taten hatte verbreiten lassen – und an Ansehen beim Volk gewonnen hatte. Sie fand, sie verdiene die Anerkennung. Sie ließ keine Unwahrheiten verbreiten, und vielleicht kam einmal die Zeit, wenn sie die Unterstützung der Nevaner benötigte. Der Vorteil einer vornehmen Abstammung reichte nicht aus, wenn man eine Frau und kein Mann war. Außerdem musste sie ihren schlechten Ruf loswerden. Seit Jahren war sie nur für ihre Ausschweifungen und die verbotenen religiösen Riten bekannt. Vor einigen Jahren war das Gerücht umgegangen, sie habe ihren Gemahl vergiftet. Das stimmte nicht, aber sie machte keinen Versuch, ihre Unschuld zu beweisen. Der Verdacht hielt die Edelmänner davon ab, bei ihrem Vater um ihre Hand anzuhalten. Eine
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