Schwarze Schilde
Zuhörerin und ermüdete Shazad nie mit dem Geplauder, mit dem auch die besten Sklaven ihre Besitzer plagten. Außerdem waren alle Geheimnisse bei ihr gut aufgehoben. Shazad nippte an dem Wein, der aus ihren eigenen Weinbergen stammte.
»Mina«, sagte sie zu dem Mädchen, »wir haben eine prächtige Flotte, und ich bin sicher, dass wir auf See siegen werden, aber ich hege Zweifel an Vaters allgemeiner Strategie.« Das Mädchen nickte. Ihr kleines Gesicht unter der buschigen braunen Haarpracht wirkte ernst. Sie hatte große grüne Augen. Shazad redete mit ihr, weil es einfacher war, ihre Gedanken zu ordnen, wenn sie laut sprach, und es gab nur wenige Menschen, denen sie sich anvertrauen konnte.
»Zum Beispiel die Tatsache, dass wir so früh in den Kampf ziehen. König Hael mit seiner berittenen Armee ist bestimmt schon auf dem Weg. Ich finde, Vater hätte auf ihn warten sollen, um dann mit beiden Armeen nach Floria zu marschieren. Die Flotte hätte er einem Admiral überlassen und so Gasam zu Meer und zu Land angreifen können. Er sagt, er wolle Gasam davon abhalten, weitere Krieger von den Inseln zu holen, aber ich denke, er kann es einfach nicht erwarten, seine Niederlage zu rächen.« Niemals würde sie so mit jemandem reden, der ihre Worte hätte wiederholen können.
»Habe ich dir erzählt, dass Hael einst mein Liebhaber war?« Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Das war lange, ehe du zu mir kamst. Er war wundervoll, der bestaussehendste Bursche, den ich je sah. Aber er war bloß ein Knabe.« Bedauernd starrte sie in den Kelch. »Er gehörte demselben Volk wie Gasam an, aber wenn man die beiden vergleicht, wäre das, als …« – sie suchte nach den passenden Worten – »… würde man die Mondschein mit der Kriegsdrache vergleichen. Damals war Gasam natürlich auch kaum mehr als ein Knabe. Hael hat es jedenfalls zu etwas gebracht. Als ich ihn zuletzt sah, besaß er nur ein Cabo und einen Speer und nahm die Arbeit als Karawanenbegleiter an. Jetzt ist er ein König. Bestimmt ist er ein interessanter Mann, vielleicht ebenso beeindruckend wie Gasam.«
Zwei Tage segelte die Flotte entlang der Küste nach Norden und Westen. Das Wetter blieb gut, und ob des stetigen Windes wurde nur so wenig gerudert, dass die Männer nicht aus der Übung kamen. Die allabendlichen Stürme brachten keine gefährlichen Winde mit sich. Der Regen füllte die Wassertonnen, und es blieb noch ausreichend übrig, um die Decks zu schrubben oder ein Bad zu nehmen. Das wurde als gutes Omen gedeutet, denn wenn auf einer langen Seereise das Wasser knapp war, verwandelten sich die Schiffe im Handumdrehen in übel riechende, krankheitserregende schwimmende Elendsquartiere. Am dritten Tag erreichten sie das Kap der Verzweiflung, einen zerklüfteten Felsen, der wie die Faust eines wütenden Meergottes aus den Wellen ragte. Auf ein Zeichen des Flaggschiffes hin ging die ganze Flotte dort vor Anker.
Es war noch früh, und der Tag war angenehm. Erstaunt über diese ungewöhnliche Verhaltensweise, ließ Shazad die Mondschein neben die Kriegsdrache rudern. König Pashir trat an die Reling der riesigen Galeere und sah lächelnd auf seine Tochter hinab.
»Was wollen wir hier, Vater?« fragte sie und sah zu ihm auf, wobei sie die Hand zum Schutz vor der Sonne über die Augen legte.
»Wir warten«, antwortete er. Mehr erfuhr sie nicht von ihm.
An diesem und am nächsten Tag blieb die Flotte vor Anker liegen. Shazad langweilte sich und verspürte den Wunsch, im klaren blauen Meer zu schwimmen, fühlte sich aber ungewöhnlich gehemmt, dies unter den begierigen Blicken so vieler Männer zu tun. Sie spürte, dass es ihrer neugewonnenen Autorität abträglich sein würde. Also wartete sie wie alle anderen und setzte die einseitige Unterhaltung mit ihrer Sklavin fort.
»Typisch Mann!« rief sie aus. »Er will mir zeigen, dass er Geheimnisse hat und ich weder Befehlsgewalt noch Macht besitze.« Sie trank gekühlten Wein und verfluchte ihre Untätigkeit. Inzwischen war sie gewöhnt, immer beschäftigt zu sein.
Am Morgen des nächsten Tages lag Shazad in ihrer schmalen Koje. Das sanfte Wiegen des Schiffes wirkte beruhigend. Als sie erwachte, hörte sie die leisen Atemzüge der Sklavin, die neben ihrem Bett auf einer Matratze lag. Sie wusste nicht, was sie geweckt hatte. Das vertraute Knarren und Plätschern war zu hören – und auch die leisen Stimmen der Wachen an Deck. Die Mannschaft hatte den strikten Befehl, nicht laut zu sprechen, wenn die Prinzessin
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