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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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ausgeblichenen Tapete zeigte deutlich, wo er gehangen hatte. Der kleine braune Schreibtisch war auch weg. Mitten auf dem Fußboden stand einsam das Telefon, der Hörer lag daneben. Maria legte auf und hob noch mal ab. Immerhin gab es ein Freizeichen. Im Wohnzimmer fehlten die kleinen Goldtassen in der Vitrine, die die Schwiegermutter ihnen geschenkt hatte. Über dem Wohnzimmertisch hing eine nackte Birne an einem Kabel. Der Messingleuchter, den Maria von ihrer Großmutter geerbt hatte, war weg. Kristers Messingleuchter im Schlafzimmer hatte er schon beim Auszug mitgenommen.
    Gerade als Maria die Notfallkasse kontrollieren wollte, die sie in einer Dose ganz hinten im Schrank aufbewahrte, klingelte das Telefon.
    »Artur und ich haben die Dinge geholt, die Krister zustehen. Wir sind versehentlich mit der Sackkarre gegen einen von deinen Blumentöpfen gefahren und werden ihn natürlich ersetzen.« Dann legte Gudrun Wern auf, ohne eine Antwort abzuwarten.

40
    Die Schlüssel zum Hochhaus zu besorgen, in dem Per Arvidsson wohnte, war schwieriger gewesen, als Pyret gedacht hatte, aber nicht unmöglich. Der Zeitdruck und ein bekannter Name hatten verschlossene Türen geöffnet. Schritt für Schritt schleifte sie den schweren Körper über den Boden, nachdem sie ungesehen den Fahrstuhl in den sechzehnten Stock genommen hatte. In einem Haus, in dem fast nur Rentner wohnten, würde man nach Mitternacht ja wohl ungestört arbeiten können. Der einzige Mensch, den sie auf dem Weg vom Auto her getroffen hatte, war ein Penner gewesen, der in den Papierkörben am Conventum nach leeren Flaschen suchte. Natürlich bestand die Gefahr, dass man sie von den Fenstern auf der gegenüberliegenden Seite der Drottninggatan gesehen haben könnte, doch es wurden keine Lichter eingeschaltet.
    Während der Planungsphase war sie auf der Dachterrasse des Hochhauses herumgegangen, die sich auf halbem Weg zum obersten Stock befand. Links auf der Terrasse lag ein verlassener Spielplatz. Eine Reifenschaukel schwang sanft im Wind. Darauf hatte sie gesessen, während sie nachdachte. Die Bewegung half den Gedanken, Form anzunehmen, lockte sie ruhig und rhythmisch heran.
    Pyret verlangsamte den Schwung der Schaukel und entfaltete einen Zeitungsausschnitt, den sie in ihrer Tasche hatte. Die Hälfte der Seite nahm ein Foto der Ausfahrt Süd in Kronviken ein. Das blonde Fußballmädchen lächelte mit ihrer Zahnspange in die Kamera und zeigte auf das Ufer. Im Vordergrund Maria Wern mit ihrem langen blonden Haar, das ihr über die Schulter fiel. Sie war als Sprecherin aufgetreten, und dafür würde sie die Konsequenzen zu spüren bekommen. »Wir werden alles tun, um den Schuldigen zu finden«, versprach sie in der Bildunterschrift. Wie lächerlich. Eigentlich sollte sie Furcht verspüren, sollte merken, dass jemand sie heimlich beobachtete. Aber sie war blind und taub. Was für eine unwürdige und unaufmerksame Feindin.
    Wie die Beute einer Katze war ihr Bella Svanbergs Leiche vor die Füße gelegt worden. Eine Nachricht an der Windschutzscheibe ihres Autos, ein Strauß mit Rosen an der Haustür, und sie wurde noch immer nicht von der Polizei überwacht. Sie jetzt umzubringen wäre viel zu einfach und unwürdig für jemanden, der mit einem überlegenen Intellekt und der Fähigkeit, Bilder aus dem Verborgenen zu empfangen, ausgestattet war. Das Spiel, das diese Nacht bieten würde, würde sie wachsamer machen.
    Pyret hatte sich mit halb erfrorenen Fingern eine Zigarette angezündet. Neben dem Spielplatz befand sich eine Rauchklappe, eine Art Ventil, aus dem bei einem Brand im unteren Teil des Hauses der Rauch entweichen würde. Pyret bemerkte auch das Fehlen von Feuermeldern in den Fluren im oberen Teil des Hauses. Schade. Feuermelder hatten so eine schöne Wirkung.
    So war sie gedankenversunken auf der Dachterrasse herumgelaufen. »But I miss you most of all, my darling, when the autumn leaves start to fall«, hatte Per ihr vorgesungen, als sie im Auto gesessen hatten. Ebenso betrügerisch wie alle anderen Männer war er zu Maria zurückgekehrt. Was er an diesem farblosen Wesen fand, konnte sie nicht begreifen.
    Die emaillierte Fassade des Hochhauses glänzte grauschwarz im Mondlicht, eine Außenwand, die dazu gemacht war, die Stimmung des Himmels widerzuspiegeln. Die weißen Sternenaugen der Nacht. Den leichten Nebel. Das Mondlicht und die helle Zärtlichkeit der Sonne. Mit großer Entschlossenheit nahm Pyret den Fahrstuhl in den obersten Stock und schloss die

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