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Schwarze Schmetterlinge

Schwarze Schmetterlinge

Titel: Schwarze Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Jansson
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Kommunikation durch die Rauchsignale, die die beiden einander senden
     

     
    können. Die sieht man hier auf dem Bild nicht, aber man kann sie sich vorstellen. Eitel Harmonie also.«
     
    »Du kannst sofort anfangen.«
     
    »Hast du in der Psychiatrie gearbeitet?«
     
    »Ich habe in den Siebziger-und Achtzigerjahren in der Kinderpsychiatrie gearbeitet. Als in diesem Bereich die großen finanziellen Kürzungen anstanden, habe ich mich am Riemen gerissen und an der Polizeihochschule angefangen.«
     
    »Und was siehst du?«, fragte er. »Jetzt bist du dran. Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.«
     
    »Die beiden Nackten könnten Adam und Eva sein. Die anderen Figuren sind bekleidet, abgesehen von dem kleinen Jungen, der die Verleumdung darstellt. Die Nacktheit muss für etwas Primitives stehen, für die Unterwerfung unter eine Gottheit. Vielleicht handelt es sich ja um eine Art Ritus, bei dem man seinen eigenen Willen aufgibt, um sich etwas Größerem zu unterwerfen.«
     
    »Wie wenn man sich an Regeln bindet, die man nicht selbst aufgestellt hat?«, fragte er.
     
    »Womöglich. So ist es bei mir. Als meine Mutter starb, habe ich versprochen, mich um meine Schwester zu kümmern. Paula wohnt bei mir. Sie braucht einen festen Punkt, jemanden, der ihr manchmal sagt, wo es langgeht. Weißt du, ich hatte mir gewünscht, mit einer Kollegin im Team zusammenzuarbeiten, das haben sie mir versprochen, als Håkansson aufhörte. Wir sind nicht gut miteinander klargekommen, er und ich, und Stensson meint, dass es meine Schuld gewesen sei. Ich habe meine Waffe auf dem Klo vergessen, und Håkansson hat das angezeigt. Vorigen Monat habe ich Gehaltsabzug bekommen, weil mir in der Garage aus Versehen ein Schuss losgegangen ist. Das hätte auch keiner erfahren müssen, wenn Håkansson nicht zum Chef gerannt wäre und gepetzt hätte. Stensson wird dich fragen, wie die Zusammenarbeit mit mir so läuft, wenn er es nicht schon getan hat.«
     
     
    6
     
    Pyret stellte ihr Essen in die Mikrowelle und schloss die Klappe, dann überprüfte sie, ob der Ofen auf maximale Hitze eingestellt war. Sieben Minuten stand auf der Verpackung des Fertiggerichts. Das Mittagessen nahm sie meist allein und zu Hause ein. Unter anderen Menschen zu essen, hieß, sich öffentlich zu entblößen. Manchmal war man dazu gezwungen. Es war ihr ein Rätsel, wie Menschen auf die Idee kommen konnten, zum Essen auszugehen und das auch noch schön zu finden.
     
    Wütend warf sie die Pappverpackung auf den Fußboden. Sie zögerte einen Augenblick mit dem Finger auf der Zeitschaltuhr. Der schwache surrende Ton einer Fliege weckte ihre Aufmerksamkeit. Das Insekt kletterte auf der Innenseite des Glases hoch, eingeschlossen und völlig unwissend, in welchem Kraftfeld es sich befand. In seinem Brummen lag ein stilles Flehen. Wie in dem Film von David Cronenberg über den Wissenschaftler, der sich selbst in eine Mischung aus Fliege und Mensch verwandelt und dann nicht mehr in seine ursprüngliche Gestalt zurückzukehren vermag. Mit einem menschlichen Gesicht, dem Körper einer Fliege und einer sirrenden Fliegenstimme ruft er seiner Frau zu: »Help me! Help me!« Aber sie sieht nur eine eklige Stubenfliege, und sein Flehen lässt sie unberührt.
     
    Sieben Minuten auf höchster Stufe, und die Fliege würde mausetot mit den Beinen nach oben daliegen. Oder würde sie brennen? Zu einem kleinen Haufen aus Asche und Ruß werden, kaum mehr zu sehen? Mit der Hand am Drehschalter konnte Pyret wie ein Gott über die Zeit bestimmen. Über Leben und Tod. Sie konnte die Augen verschließen und sich nicht für das Schicksal der Fliege interessieren. Aber sie konnte sich auch dafür entscheiden, das Leben der Fliege zu retten, genau wie Frank Leander Leben hätte retten können, wenn ihn sein Ruhm nicht blind gemacht hätte.
     
    Die Zeitungsausschnitte über seine Karriere waren ordentlich und chronologisch in Aktenordnern archiviert. Ein paar Bilder mit seinem Konterfei waren mit Reißzwecken an der Wand befestigt. Als Kind hatte sie die Fotos aus den Zeitungen ausgeschnitten, die sie in der Bibliothek gestohlen und zusammen mit Bleistiften, Radiergummis und Klopapier unter der Jacke hinausgeschmuggelt hatte. In einem plötzlichen Impuls hackte Pyret das Messer direkt in sein Auge und drehte es herum, sodass das Papier zur Seite gezogen wurde und riss. Die Augen von Frank Leander würden sich nie öffnen. Sie hoffte, dass er in diesem Moment, wo immer er sich auch befand, den

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