Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)
auf dem Rahmen und notierte sie auf seinem Block. U 98 10 447. Dann ging er hinter Helga her. Sie wühlte in einer Schublade.
»Sie ist rot«, sagte sie gehetzt. »Ich weiß noch, daß die Karte rot ist. Die Quittung ist daran festgeheftet. Es hat dreitausendneunhundertneunzig Kronen gekostet. Die halten uns für Idioten«, stammelte sie, während Papiere und Kleinkram sie umstoben. »Ich weiß noch, daß sie die Sitzstange kappen mußten. Um fünf Zentimeter. Gehen Sie auf den Flur und sehen Sie nach, ob die Sitzstange verkürzt ist. Ida mußte den Sattel doch so tief wie möglich haben. Sehen Sie doch nach!« rief sie und suchte weiter. Sejer ging hinaus und musterte die Stange. Er fuhr mit einem Finger über die Kante. Sie war verkürzt worden. Er ging wieder hinein. Helga hatte die Registrierkarte gefunden. Sie faltete sie auseinander und reichte sie ihm. Sejer starrte auf die Karte und dann auf seinen Block.
Er kannte die Reihenhaussiedlung als ruhiges Wohngebiet der Mittelklasse. Er fand die Røyskattlia und fuhr zum letzten Haus. Im Fenster tauchte ein Gesicht auf. Eine Frau. Sie schaute auf den Hof hinaus und sah das fremde Auto. Dann verschwand sie wieder. Sejer ging zur Tür und klingelte. Er hörte den scharfen Klang der Glocke. Ein Mann öffnete und schaute ihn fragend an. Sejer las den Namen unter dem Klingelknopf.
»Herr Heide?« fragte er höflich.
Der Mann schaute zum Streifenwagen hinüber.
»Ja? Worum handelt es sich?«
Er sah aus wie die Unschuld in Person. Aber Sejer hatte auch nicht damit gerechnet, hier vor der Tür desjenigen zu stehen, der Ida von der Erdoberfläche hatte verschwinden lassen. Daß Heide Ida umgebracht und danach ihr Rad seiner eigenen Tochter geschenkt haben könnte. Aber er hatte auch schon von schlimmeren und noch unverständlicheren Taten gehört.
»Konrad Sejer«, stellte er sich vor und gab dem Mann die Hand. »Ich würde gern kurz mit Ihnen sprechen. Sie haben Familie? Eine Tochter?«
Heide nickte, blieb aber stehen.
»Darf ich hereinkommen?« fragte Sejer deshalb. Heide ließ ihn in die Diele. Eine Frau tauchte aus der Küche auf. Sejer lächelte, aber dieses Lächeln wurde nicht erwidert.
»Warum fragen Sie nach Hanne?« fragte Heide und sah ihn an.
»Sie schläft vielleicht schon?« fragte Sejer, um dieser Frage auszuweichen.
»Sie liegt im Bett und liest«, sagte die Mutter.
»Es wäre nett, wenn Sie sie holen könnten«, sagte Sejer.
Die Eltern tauschten einen Blick. »Sie holen? Jetzt? Es ist doch fast elf.«
»Es wäre nett«, wiederholte Sejer geduldig. »Ich will ihr nur kurz eine Frage stellen.«
Die Mutter verschwand hinten im Haus und tauchte dann mit einem rothaarigen Mädchen wieder auf. Hanne trug über ihrem Nachthemd einen Bademantel und stapfte sehr ängstlich hinter ihrer Mutter ins Wohnzimmer. Sejer lächelte sie freundlich an. Sie schien ein schlechtes Gewissen zu haben, das sah er sofort.
»Ich komme von der Polizei«, sagte er. »Aber deshalb brauchst du keine Angst zu haben. Ich möchte nur schnell ein paar Fragen stellen«, sagte er. »Hast du ein gelbes Fahrrad?«
Sie lief sofort rot an.
»Nein«, sagte sie rasch. Sie schaute ihren Vater an, der Vater erwiderte ihren Blick. Die Mutter schwieg.
»Warum wollen Sie das wissen?« fragte der Vater und verschränkte die Arme.
»Ihre Tochter ist heute nachmittag auf einem gelben Fahrrad gesehen worden«, erklärte Sejer. »Die Person, die sie gesehen hat, ist ihr bis hierher gefolgt. Und das Rad lehnte hier an der Hauswand.«
»Ja«, sagte Hanne rasch. »Aber es gehört nicht mir.«
Sejer sah sie an und nickte. »Das weiß ich«, sagte er. »Und jetzt wüßte ich gern den Rest.«
»Ich habe es geliehen.«
»Von wem hast du es geliehen?«
»Einfach von einer Freundin.« Sie starrte zu Boden. Der Vater runzelte die Stirn.
»Aber was ist mit diesem Rad?« fragte er. »Sie sind uns doch wohl eine Erklärung schuldig?«
»Die kommt auch gleich«, sagte Sejer geduldig. »Aber zuerst möchte ich den Namen dieser Freundin hören.«
Seine Stimme klang sanft. Zugleich fühlte er sich ermutigt.
Hanne hatte jetzt Probleme. Ihr Vater schaute sie ungeduldig an.
»Aber nun sag ihm schon den Namen, Hanne!«
Hanne wich seinem Blick aus. Die Mutter trat ein paar Schritte vor.
»Du hast es doch wohl nicht gestohlen?« fragte sie nervös. »Ist das Rad gestohlen?« Sie schaute Sejer unsicher an. »Hanne ist doch keine gemeine Diebin. Das stimmt einfach nicht.«
»Das glaube ich ja
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