Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Schwarze Sekunden: Roman (German Edition)

Titel: Schwarze Sekunden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
Vom Netzwerk:
verschluckt.«
    »Oder vom Meer vielleicht?« rutschte es Sejer heraus. »Nein, ich dachte an die Fähre«, fügte er hinzu. »Da fallen doch dauernd Leute ins Wasser. Wir sollten uns also noch einmal mit Tomme unterhalten. Wirklich seltsam«, meinte er und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch.
    »Wieso seltsam?« fragte Skarre.
    »Naja, diese beiden Lümmel«, sagte Sejer. »Die offenbar aneinander kleben, obwohl Ruth und Sverre Rix das zu unterbinden versuchen. Vielleicht haben sie ja Dreck am Stecken, und vielleicht sollten wir uns das genauer ansehen.«
    Er überprüfte das Datum auf seiner Armbanduhr. Jetzt, wo das Gespräch mit Elsa Mork nicht mehr seine Gedanken erfüllte, konzentrierte er sich auf die beiden Jungen. Er hatte das Gefühl, daß sie an ihm zogen. Wenn sie Drogen verkauften, dann war das nicht seine Sache, vor allem nicht jetzt. Es war wichtiger, festzustellen, was sich zwischen Emil und Ida abgespielt hatte. Woher kam dieses seltsame Gefühl, daß hier etwas nicht stimmte? Warum tauchten diese beiden immer wieder in der Sache auf, wie eine ewige Störung? Auf einen plötzlichen Impuls hin rief er beim Osloer Büro der Fährgesellschaft an. Der Anruf dauerte lange. Nachdem er sich nach allerlei Einzelheiten in Bezug auf die Überfahrt erkundigt hatte, legte er auf und setzte sich in den Wagen. Er sagte sich nicht vorher an. Er fuhr direkt zu Tommes Haus.
     
    Familie Rix hatte soeben gegessen. Ruth kratzte die Reste von drei halben Hähnchen in den Abfalleimer unter dem Spülstein. Haut und Knochen glitten von den Tellern und vermischten sich mit anderen Dingen. Dort unten roch es gar nicht gut, am Vortag hatte es Fisch gegeben. Es roch nach Verwesung, fand Ruth. Tomme saß in seinem Zimmer. Er hatte den Film The Matrix zur Hälfte gesehen, konnte sich aber nicht konzentrieren. Marion lag auf dem Bett und las.
    Ruth hörte draußen einen Wagen vorfahren. Sie widerstand der Versuchung, aus dem Fenster zu schauen. Sie erwarteten niemanden. Es konnte sich um einen Vertreter handeln. Vielleicht wollten auch die Kinder aus der Nachbarschaft Lose zur Unterstützung des Handballvereins oder des Schulorchesters verkaufen. Vielleicht war es einer von Tommes Freunden, Bjørn oder Helge. Und nun wurde geklingelt. Ihr Gesicht war ruhig und neutral, als sie aufmachen ging. Als sie Sejer auf der obersten Treppenstufe stehen sah, blickte sie ihn zuerst fragend an. Plötzlich ging ihr auf, daß sie ihn absolut nicht hereinlassen wollte. Sie dachte an Tomme und an alles, was passiert war. Sie hatte das alles satt und wollte ihr früheres Leben zurückhaben. Zwei Menschen waren festgenommen worden, und Ruth hatte in der Zeitung gelesen, daß die gegen diese beiden sprechenden Beweise überwältigend waren. Ida war begraben, und Helga schleppte sich mit Hilfe ihrer Medikamente langsam durch die Tage. Es ging jetzt wieder aufwärts für die Familie. Aber vielleicht war es ja ein Höflichkeitsbesuch, wollte er sein Interesse zeigen. Während sie sich das alles überlegte, wartete Sejer geduldig.
    »Ich möchte mit Tomme sprechen«, sagte er dann. »Es geht um Willy Oterhals.«
    Ruth hätte gern gesagt, daß Tomme nicht zu Hause sei, aber dann fiel ihr ein, daß der schwarze Opel in der Garage stand. Willy sollte sehen, wie er fertig wurde, und nicht andere mit in sein Elend hineinziehen, fand sie. Sie schwieg weiter und hielt sich mit einer Hand am Türrahmen fest.
    »Er ist noch immer nicht wieder aufgetaucht«, sagte Sejer, denn er hatte den Verdacht, daß sie sich über die Lage nicht ganz im klaren war.
    »Noch immer nicht?« fragte Ruth erschrocken.
    Sie füllte nach wie vor die Türöffnung aus. »Ja, Tomme hat aber erzählt, was er weiß«, sagte sie, in dem hilflosen Versuch, ihn aufzuhalten, dort, auf der Türschwelle. Das half nichts.
    »Ich möchte diese Erklärung gern von Tomme selbst hören«, sagte Sejer energisch. »Ist er zu Hause? Würden Sie ihn bitte holen?«
    Diese Bitte wurde dermaßen gebieterisch vorgetragen, daß Ruth keinen Widerstand leisten konnte. Sie wich aus der Türöffnung zurück und ließ Sejer eintreten. Dann lief sie in den ersten Stock, um ihren Sohn zu holen. Sejer wartete im Wohnzimmer und registrierte, daß die beiden nicht sofort herunterkamen. Tomme sah gequält aus. Ruth stand neben ihm und schien ihn behüten zu wollen, wie Eltern ihre Kinder Feinden gegenüber eben behüten.
    »Du weißt sicher schon, worum es geht«, sagte Sejer. »Fangen wir also mit folgender

Weitere Kostenlose Bücher